Die kleine Welt des deutschen Trabrennsports erfuhr erst in der Karwoche durch eine Anzeige in der TrabAktuell vom Tod des 92-Jährigen. Auf besonderen Wunsch der Familie und des Verstorbenen selbst erscheint erst heute, nach einer stillen Beisetzung im engsten Familienkreis, ein ausführlicher Bericht zum Tode - und vor allem zum Leben - von Hans-Werner Brammann.
Am 8. Januar 1925 kam Hans-Werner Brammann auf die Welt. Sein Vater Wilhelm erwarb 1928 sein erstes Pferd, das den Namen „Boy von Lurup“ trug. Somit war Hans-Werner Brammann schon von Kindesbeinen an mit dem Trabrennsport in Kontakt.
Als junger Mann war er passionierter Leichtathlet und dabei ein erfolgreicher Zehnkämpfer. Er war in der Olympiaauswahl für die Olympischen Spiele 1944, die aber aufgrund des Zweiten Weltkriegs nicht zur Austragung kamen. Seine eigenen Erfahrungen aus der Leichtathletik waren die Basis für seinen Umgang mit den Pferden, was das Training und die besondere Behandlung der Psyche dieser vierbeinigen Athleten anbetraf.
Erst mehrere Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, um 1948/49, kam Hans Werner Brammann aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause. Um Geld zu verdienen, diente er als Sparringspartner beim Boxen. Anfang der 1950er Jahre gründete er ein Fuhrunternehmen, welches er nach seinem Herzinfarkt 1965 veräußerte. Ab diesem Zeitpunkt übernahm er selbst das Training der eigenen Pferde, und das sehr erfolgreich! Darunter waren Pferde wie Angel, der Mutter von Corner.
Zunächst war er selbst als Amateurfahrer am Start, später lautete sein Spruch: „Wenn man Geld verdienen will, muss man nicht selber fahren!“ Diesem Ziel folgend, verpflichtete er die besten ihrer Zunft als Fahrer für seine Pferde: Fahrer wie Walter Heitmann, Kurt Hörmann und Heini Losse fuhren zahlreiche Siege für ihn ein.
1969 erwarb er den Hof in Sparrieshoop in der Nähe von Elmshorn, der heute als Gestüt Corner bekannt ist. Das Lieblingspferd von Hans-Werner Brammann hieß Onkel Wilhelm, der zahlreiche große Rennen gewinnen konnte.
Eine besondere Geschichte ist mit dem Namen Corner verknüpft, der 1974 von Hans-Werner Brammann selbst gezüchtet worden war: Corner galt 1977 als Derbyfavorit – hatte er doch zweijährig mit dem westdeutschen Jugend-Preis, dem Jugend-Preis, dem Rennen Nr. 4, dem Max Herz-Rennen und dem Preis des Winterfavoriten praktisch alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Insbesondere die Manier beeindruckte dabei, meist gewann er hochüberlegen und stand deutlich über seinen Altersgefährten.
Außenstehende beeindruckten der Hengst und sein Besitzertrainer nicht nur mit ihren Erfolgen, sondern auch mit dem tiefen Vertrauen, das offensichtlich zwischen ihnen herrschte. Als Pferd mit Familienanschluss saß Corner praktisch mit am Tisch, auf der Weide tobte Hans-Werner Brammann mit seinem Paradepferd herum, als würde er mit einem Hund spielen. Die enge Bindung und das tiefe Verständnis für das Pferd zeichneten Hans-Werner Brammann aus.
Dreijährig machte Corner im Hamburger Traber-Preis der Dreijährigen, im Adbell-Toddington-Rennen und der Trophäe der Dreijährigen genau dort weiter, wo er zweijährig aufgehört hatte, blieb ungeschlagen und trabte insgesamt fast 375.000 DM ein. Dann endete die Erfolgsgeschichte jäh – eine sehr hartnäckige Atemwegserkrankung machte Starts im Buddenbrock-Rennen und dem Bayern-Pokal als Vorbereitung auf das Blaue Band zunichte.
Hans-Werner Brammann begab sich mit Corner an die Nordsee, um ihn in der jodhaltigen Luft wieder genesen zu lassen. Doch es reicht nicht, um den Hengst rechtzeitig zum Derby fit zu bekommen. Das Blaue Band fand ohne Corner statt, der aufgrund der Krankheit gar nicht trainiert werden konnte. Um langfristige Schäden zu verhindern, gaben Kurt Hörmann und Hans-Werner Brammann dem Pferd die Ruhe, die es benötigte. Auch das ein Zeichen, welche Prioritäten im Umgang mit dem Partner Pferd für Brammann galten.
Nach diesem „verhinderten Derbysieg“ konnten noch zahlreiche weitere Erfolge gefeiert werden, Corner verdoppelte seine Gewinnsumme im Laufe der weiteren Karriere noch, und auch auf Siege im Blauen Band kann man auf dem Gestüt Corner zurückblicken: Rambo Corner (1992) und Volo Pride (1983) gewannen das Derby, beide natürlich von Hans-Werner Brammann trainiert – auch wenn es damals üblich war, dass ein Profitrainer offiziell verantwortlich zeichnete. Ifram, siebenfacher Zuchtrennsieger, und Meadow Matt, der in Paris und Neapel für Furore sorgte, waren weitere Erfolgspferde von Hans-Werner Brammann.
Das Gestüt Corner entwickelte sich über die weiteren Jahre zu einer der ersten Adressen der deutschen Traberzucht und ist mit Pferden wie der Stutenderbysiegerin Georgina Corner auch bis weit in die 2010er Jahre hinein erfolgreich. Hans-Werner Brammanns Ehefrau Rosita führt das Gestüt weiter und etablierte unter anderem große Besitzergemeinschaften, um neue Menschen an den Trabrennsport heranzuführen. Ein erfolgreiches Konzept, das aktuell mit der TraberParti neuen Zulauf erhält.
In den persönlichen Gesprächen am Osterwochenende war der Verstorbene oft ein Thema, mit Hochachtung berichten die deutschen Trabrennsportler von der gemeinsamen Zeit mit dem Norddeutschen. Er war einer der größten, für manche der größte, Pferdemänner überhaupt, mit viel Gespür für das Tier und seine Psyche.
Auch in den sozialen Medien zollten viele Aktive dem Verstorbenen Respekt:
„Hans Werner war fast perfekt. Alles was er machte hatte Sinn. Ein toller Freund und Pferdemann!“
(Remco Petersen)
„Sein Gastspiel mit dem zweijährigen CORNER auf unserem Hof in Mönchengladbach wird uns unvergessen bleiben! Diese Harmonie zwischen Pferd und Mensch ist mir nie wieder begegnet. Und niemals zuvor habe ich so fasziniert dem Spiel eines Hengstes mit seinem Trainer und einer Plastiktüte zugeschaut!“
(Maren Hoever)
„Es machte mich sehr betroffen als ich am Freitag im Mariendorfer Programm las, dass Hans-Werner Brammann nicht mehr unter uns weilt. Er war ein Mensch von dessen Sorte es ruhig einige mehr auf unserer Welt geben dürfte.
Ich durfte ihn nur ein wenig kennen lernen aber trotzdem hat er mich sehr beeindruckt...mit seiner extrem sympathischen Art, mit seiner inneren Gelassenheit, mit seiner Kompetenz, mit der Konsequenz in seinem Tun, mit seiner Fairness zu Mensch und Tier und mit seinem grenzenlosen Fleiß bis ins hohe Alter.
Wenn es das bei uns gäbe hätte er wohl einen Oscar verdient...in der Kategorie 'Lebenswerk'.
Der Trost an der Geschichte ist, dass er ein langes und, wie ich denke, erfülltes Leben hatte mit einer großartigen Familie und vielen sportlichen Erfolgen.
Mein Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.
Schön, dass es ihn gab!“
(Thomas Heinzig)
„Wir denken alle mit Liebe und Bewunderung an Hans-Werner. Er hat mich so viel gelehrt, was ich mit Erfolg umsetzten konnte. Danke Hans-Werner und Danke für so viele lustige und fröhliche Momente mit Dir!“
(Andrea Mittelmeier)
Das Präsidium des Hauptverband für Traberzucht e.V. drückt der Familie des Verstorbenen sein tief empfundenes Mitgefühl aus und bedauert den Verlust eines sehr wertvollen Mitglieds des deutschen Trabrennsports.
(20.04.2017)