Solvalla, Sonntag, 26. Mai 2024. Wie von Vielen befürchtet bekamen die stolzen Schweden, die so gern Frankreich als europäische Trabernation Nummer eins ablösen möchten, im Elitloppet drei gallebittere Pillen eingetrichtert. Schon im Vincenner Wintermeeting 2023/2024, das gemeinhin als Nabel der Traberwelt gilt, waren sie in der obersten Schublade praktisch unauffindbar. Das setzte sich zur Enttäuschung der Fans im „Wohnzimmer Solvalla“ nahtlos fort.
Die inoffizielle Sprinter-Weltmeisterschaft wurde zu einer Demonstration der Franzosen, und dies, obwohl Prix-d’Amérique-Sieger Idao de Tillard, der Werbeträger dieser 73. Auflage, den engen und extrem überhöhten Kurven gar keinen Geschmack abgewinnen konnte und im wahrsten Sinn des Wortes den Boden unter den Füßen verlor und Titelverteidiger Hohneck entgegen den wie immer optimistischen Parolen Philippe Allaires längst nicht in der 2023er Verfassung war.
Dafür sprangen andere in die Bresche und vermöbelten die Einheimischen nach Strich und Faden, von denen sich überraschend Seinäjoki- und Guldbjörken-Sieger Borups Victory als Nummer eins herauskristallisierte und mit Platz zwei im Finale die Fahne der Tre Kronors halbwegs hoch hielt. Geradezu ernüchternd war der Nachmittag für Daniel Redén: Don Fanucci Zet, der den Geschmack des Sieges bereits vor drei Jahren hatte auskosten dürfen, verfehlte durch die Todesspur den Endlauf mit Karacho, den ein nicht sonderlich motivierter Francesco Zet, immerhin 22-facher Sieger aus 24 Auftritten, mit Hängen und Würgen erreichte.
Das war keine Maßarbeit, wie auch Redén erkannte, etwas ratlos war und sich fürs Finale „einige Änderungen am Equipment einfallen lassen“ wollte. Warum „ÖK“ bei der Auslosung der Finalplätzte die „6“ statt der möglichen „5“ wählte, war kaum nachvollziehbar. Sollten es taktische Überlegungen gewesen sein, so klappten wenigstens diese halbwegs, denn der „Fünfer“ Denver Gio sockte los wie eine Rakete und übergab ihm nach 400 Metern den Staffelstab. Das war’s dann aber auch schon mit Schwedens vermeintlich bester Chance, die am einheimischen Toto lange als Favorit blinkte und in diesem Status in den letzten Sekunden knapp von Horsy Dream abgelöst wurde.
Was der Aufsteiger des vorletzten Pariser Winters, dem im Winter 2023/24 eine Erkältung eine ähnliche Bonanza völlig zunichte machte, aufs bestens präparierte, enorm schnelle Tapet zauberte, war schlichtweg atemberaubend. Als Eric Raffin ihn 650 Meter vorm Ziel aus dem Windschatten des warum auch immer nach einer halben Runde von dritter Position innen in die Todeslage dirigierten Önas Prince dirigierte und zum Angriff blies, reagierte der kleine, praktische Braune atemberaubend. Als träte selbst ein Francesco Zet auf der Stelle, fegte er binnen 200 Metern in Front und hielt diesen Sturmschritt bis ins Ziel durch.
„Es war ein Traum“, bekannte Züchter Jean-Marie Deschamps, „genau wie er‘s im Namen trägt. Ich hab‘ schon früh gemerkt, dass er was Besonders werden könnte - doch von einem Sieg in solch einem renommierten Rennen wagte ich kaum zu träumen. Als John Campbell (der Welt gewinnreichster Fahrer aller Zeiten und Präsident der Hambletonian Society/Anm.d.Red.) ihn sich am Freitag angeschaut hat, erkor er ihn sofort zu seinem Favoriten, weil er genau so aussehe, wie moderne Traber heute aussehen müssten.“
Eric Raffin, der vor überbordender Freude Kusshändchen en masse verteilte und auch mit einer Sektdusche nicht geizte, gestand: „Pierre Belloche hat ihn auf den Punkt genau perfekt vorbereitet und in die Form des vorigen Winters gebracht. Das war schon am 20. April in Enghiens Prix de l’Atlantique zu sehen. Er war griffig, hat eine brillante Technik für die im Vergleich zu unseren französischen Bahnen enge Piste und war toll drauf."
"Ein magischer Moment, als er auf der Überseite beschleunigte! Die Zielgerade herunter war ein einziger Genuss. Im Vorlauf hatte er rundum leichte Eisen drauf, im Finale lief er komplett barfuß - was für eine unerhörte Leichtigkeit er dabei verriet.“ Der so gelobte „Übungsleiter“ kommentierte bescheiden: „Alles ist magisch - Publikum, Horsy Dream, der extrem cool und robust ist, und Erics Fahrership!“
Frankreichs inzwischen dreifacher „Sulky d’Or“ hatte vor 13 Jahren schon einmal am Sieg in Nordeuropas bedeutendstem Trabrennen geschnuppert, bis ihn ein gewisser Brioni auf den letzten Metern aus allen Träumen riss.
Der dritte Sieg eines Franzosen en suite nach Etonnant 2022 und Hohneck 2023 bedeutete in nackten Zahlen mit 1:08,0 die Verbesserung des gerade mal 2½ Monate alten Europarekords von Vernissage Grif um 0,1 Sekunden und war nur um eben diese Spanne von der Weltbestzeit für Hengste auf 1.000-Meter-Bahnen entfernt, die seit dem 28. Juni 2014 auf den Schultern von Åke Svanstedts Sebastian K. ruht - seinerzeit aufgestellt in Pocono Downs.
Mit den Siegen 20 und 21 aus insgesamt 44 Auftritten wurde der beste Nachkomme des vorrangig unterm Sattel für Furore sorgenden Scipion du Goutier binnen zwei Stunden um 5.250.000 Kronen reicher - ergibt den neuen Kontostand von 14.563.887 SEK. Die Million-Euro-Hürde nahm er mit einem gewaltigen Satz, denn angereist war er mit einer Gewinnsumme von 830.670 Euro.
Während das Umfeld von Borups Victory, der aus miesen Startnummern (beide Male musste er aus „Hole 7“ los) in strengster Defensive das Beste herausholte, völlig aus dem Häuschen war und seine Pflegerin Moa Bylund unter Tränen stammelte: „Unglaublich, dass wir aus Bergsåker den Ehrenplatz holen. Ich kann’s gar nicht fassen“, redete Örjan Kihlström nichts schön. „Ein absolut fantastisches Pferd hat gewonnen. Ich habe im Finale zum ersten Mal einen müden Francesco Zet in der Hand gehabt, wofür wir die Ursache suchen müssen. Der Anfang war hart, aber dass er so abgekanzelt wird….“ hinterließ nicht nur bei dessen Umfeld dicke Fragezeichen.
Der Rennverlauf
Wie vor Jahresfrist durfte Hohneck von der „1“ los, doch erfüllte sich Gabriele Gelorminis Hoffnung, er würde im zweiten Anlauf besser beginnen als im „Qualifier“, kein Stück. Wieder trat der Royal-Dream-Sohn ein wie die berühmte Karre Sand und hatte mit der Vergabe vorderer Plätze ebenso wenig zu tun wie - natürlich - Go On Boy (2) und der sofort zurückgenommene Borups Victory (7). Wie der Teufel fegte Denver Gio von der „5“ los, ergatterte problemlos gegen Horsy Dream (3) und Önas Prince (8) das Kommando und trat es widerstandslos ab, als nach nicht mal einer halben Runde Francesco Zet (6) angestiefelt kam.
Sveriges Darling vorn, das anschließend die Fahrt ein wenig drosseln konnte - es schien alles nach Plan zu laufen für die Gastgeber. Önas Prince (8) war gleich außen geblieben, obwohl reichlich Platz war, um als Dritter nach innen zu scheren. Hinter dem Paralympiasieger fand Horsy Dream ein erstklassiges Plätzchen vor Go On Boy, Capital Mail (4) und Schlusslicht Hohneck. Borups Victory pirschte sich in der verwaisten Innenspur bis an Position drei vor. 800 Meter vorm Ziel lugte Hohneck vorsichtig in Spur drei.
150 Meter später begann die große Show des Horsy Dream. Wie ein entfesselter Gigant fegte der kleine Braune los, schoss in Windeseile um Önas Prince herum, nahm sich im gleichen Atemzug Francesco Zet zur Brust, der auf den Wirbelwind keine Antwort wusste, bog als Leader in den Schlussbogen, wo Go On Boy im Galopp ausfiel, und hatte sich mit diesem Kraftakt kein Stück übernommen. Wie auf Schienen sauste er vier Längen voraus dem Ziel entgegen.
Lange durfte Kihlström wenigstens auf den Ehrenplatz hoffen. Doch auf den letzten 100 Metern kam Borups Victory mit einem gewaltigen Schlenker von der Innenkante weg, weil der todmüde Önas Prince krass den Rückwärtsgang einlegte, und sprintete in dritter Linie zum übersichtlichen Ehrenplatz vor Denver Gio, der Francesco Zet sogar vom Poedest schubste. Halbwegs ansehnlich hielt sich der entzauberte Hohneck als Fünfter, während Capital Mail sich nicht verbessern konnte.
73. Elitloppet (Gruppe I int., ab vierjährig; UET-Masters-Serie)
1609m Autostart, 10.150.000 SEK
1. Horsy Dream 08,0 Eric Raffin 30
7j.br. Hengst von Scipion du Goutier a.d. Bonanza du Closet von Prince Gédé
Be: Ecurie du Closet (Sylvain und Thomas François & Yann Pottier); Zü: Jean-Marie Deschamps; Tr: Pierre Belloche
Pfleger: Enzo Cive
2. Borups Victory 08,5 Daniel Wäjersten 156
3. Denver Gio 08,7 Björn Goop 234
4. Francesco Zet 08,7 Örjan Kihlström 34
5. Hohneck 08,8 Gabriele Gelormini 61
6. Capital Mail 09,0 Antonio di Nardo 241
7. Önas Prince 09,8 Per Nordström 116
Go On Boy dis.r. Romain Derieux 43
Sieg: 30; Richter: überlegen 4 - 1¼ - Hals - ½ - 1 Länge; 8 liefen
Zw-Zeiten: 07,2/500m - 08,6/1000m - 07,5/letzte 500m
Wert: 5.000.000 - 2.500.000 - 1.250.000 - 625.000 - 325.000 - 200.000 - 150.000 - 100.000 SEK
Video: https://www.youtube.com/watch?v=97ya0qCaCqk
1. Vorlauf: Go On Boy in seinem Wohlfühlgarten
Es ist schon verrückt. Auf den langen Zielgeraden Frankreichs gelingt es dem antrittsschwachen Speedwunder Go On Boy einfach nicht, ein Match höherer Weihen zu seinen Gunsten umzubiegen. In Solvalla scheint er sich extrem wohl zu fühlen und schnappte sich den Sieg in Vorlauf 1 ganz leicht. Als schlechter Prophet erwies sich Alex Gocciadoro, der nicht erwartet hatte, dass der Björn Goop anvertraute Denver Gio gegen einige Super-Eintreter von der „1“ die Spitze behaupten könne.
Das war für den Southwind-Frank-Sohn nicht das geringste Problem, der losschmetterte wie Schmitz‘ Katze, unerhört gehfreudig wirkte und lange drei, vier Längen vor der Konkurrenz daher flitzte, aus der sich A Fair Day (7) und der schon im Heat nicht überzeugende Idao de Tillard (8) unabhängig voneinander Ende der Startgeraden im Galopp schossen. Früh aus war der Traum für das Märchenpferd der Amateure Oscar Ginman und Elisabeth Almheden, das bis zum Sweden Cup Skandinaviens Saisonschnellster gewesen war.
Der Amérique-Sieger immerhin machte weiter, versuchte sich innen entlang hinter Önas Prince (6), mit dem sich Per Nordström früh entschlossen hatte, nicht ums Kommando mitzubieten. Schwedens Hoffnung Don Fanucci Zet wollte Magnus Djuse nicht hinter Denver Gio verstecken und wählte die Todesspur, die dem Elitloppet-Sieger von 2021 übergründlich den Zahn zog. Hinter ihm fädelten sich Joviality (4), Go On Boy (3) und der im ersten Bogen wackelnde Capital Mail (6) auf.
Ende der Überseite rüstete Go On Boy zur Attacke und kam in bestechender Manier voran. Trotz der Mehrarbeit in der finalen Biege war der Password-Sohn rasch auf der sicheren Seite. Noch fetziger war Capital Mail auf Zack, der seinen Lotteria-Triumph als Zweiter voll und ganz bestätigen konnte. Denver Gio rettete Platz drei, auch weil Önas Prince wenig Freiraum fand und Joviality zu spät auf freie Bahn kam.
1:08,7 war Go On Boys barsche Ansage, der nach Meinung Romain Derieux‘ „besser als im Vorjahr drauf ist“.
2. Vorlauf: Horsy Dream mit Augenmaß
Wie man aus der „Geige“ gewinnt, demonstrierte in Vorlauf 2 Horsy Dream, den Eric Raffin mit immensem Vertrauen im ersten Bogen durch die dritte Spur scheuchte. Nach 500 Metern war er an der Flanke Decision Makers (6), die sich mit rasantem Antritt gegen Hustle Rain (1) sowie die sofort nach hinten dirigierten Borups Victory (7) und Bengurion Jet (8) das Kommando gesichert hatte, und spürte den heißen Atem Gaspar de Brions (3) vor Hohneck (2) und Francesco Zet (5) im Nacken.
Zur Halbzeit wurden sich Hohneck und Francesco Zet ihrer Pflichten als Titelverteidiger bzw. Toto-Favorit bewusst und eröffneten die dritte Gefechtslinie, wo sie bis zum guten Ende blieben. Während Horsy Dream sicher nach Hause geschaukelt wurde, kam Francesco Zet trotz aller Mühen nicht an Hohneck vorbei und musste mit Platz drei vorliebnehmen, was fürs Finale grande a priori eine ungünstige Abflugtrampe bedeutete.
Gehörigen Speed entwickelte ganz weit draußen „Underdog“ Borups Victory, der zu diesen Geldschränken höchst sehenswert dazu lief. Gocciadoros Befürchtungen wegen des äußersten Startplatzes bestätigten sich voll und ganz: Bengurion Jet war als Sechster klar abgehängt, als er Mitte des Einlaufs aus dem Rhythmus geriet.
Vorläufe
1609m Autostart, 600.000 SEK
Wert: 250.000 - 125.000 - 75.000 - 50.000 - 25.000 - 25.000 - 25.000 - 25.000 SEK
1. Vorlauf
1. Go On Boy 08,7 Romain Derieux 71
8j.br. Hengst von Password a.d. Balginette von Hasting
Be: Ecurie Nixonn, FR; Zü: Jean-Pierre Mary, FR; Tr: Romain Derieux
Pfleger: Romain Derieux
2. Capital Mail 08,8 Antonio di Nardo 504
3. Denver Gio 08,9 Björn Goop 160
4. Önas Prince 09,0 Per Nordström 49
5. Joviality 09,1 Erik Adielsson 86
6. Idao de Tillard 09,4g Clément Duvaldestin 37
7. Don Fanucci Zet 09,4 Magnus Djuse 29
8. A Fair Day 15,7g Oscar Ginman 342
Sieg: 71; Richter: leicht 1 - 1 - 1 - k.Kopf - 2 - k.Kopf; 8 liefen
Zw-Zeiten: 07,8/500m - 09,2/1000m - 08,2/letzte 500m
2. Vorlauf
1. Horsy Dream 09,0 Eric Raffin 44
7j.br. Hengst von Scipion du Goutier a.d. Bonanza du Closet von Prince Gédé
Be: Ecurie du Closet (Sylvain und Thomas François & Yann Pottier); Zü: Jean-Marie Deschamps; Tr: Pierre Belloche
Pfleger: Enzo Cive
2. Hohneck 09,1 Gabriele Gelormini 35
3. Francesco Zet 09,1 Örjan Kihlström 20
4. Borups Victory 09,2 Daniel Wäjersten 232
5. Gaspar de Brion 09,3 Matthieu Abrivard 214
6. Decision Maker 10,3 Carl Johan Jepson 465
Bengurion Jet 6.gdz. Alessandro Gocciadoro 197
Hustle Rain dis.r. Mats Djuse 308
Sieg: 44; Richter: sicher ½ - Hals - Hals - 1 Länge; 8 liefen
Zw-Zeiten: 08,1/500m - 09,7/1000m - 08,2/letzte 500m