Vincennes, Donnerstag, 19. September 2024. Über die veränderten Qualifikationsmodalitäten für den Prix d’Amérique, die auf der Tagung der S.E.T.F. beschlossen wurden, ist an dieser Stelle bereits berichtet worden. Noch ein anderes bemerkenswertes Ereignis stand auf der Tagesordnung der französischen Züchtervereinigung für die Trotteurs Français.
Seit einer Woche lag das Angebot des Syndikats des US-Stallions Tactical Landing vor, französischen Züchtern Samenportionen für 120 Bedeckungen ihrer Stuten - je 60 in zwei Jahren - zur Verfügung zu stellen, deren Produkte auch ins ansonsten für Ausländer streng verschlossene Zuchtbuch der „Gallier“ eingetragen würden. Und das kostenlos! Kevin Greenfield als Sprecher des Syndikats verspricht sich von dieser Maßnahme, den Hengst noch bekannter zu machen, als er ohnehin schon ist, und neue Horizonte moderner Kreuzungen zu eröffnen.
Ein Angebot, das durchaus als historisch angesehen werden kann. Im Falle einer Zustimmung dürften die 120 Freisprünge unter den interessierten Züchtern verlost werden.
Die Öffnung des französischen Zuchtbuchs kommt zwar keinem Erdbeben gleich, ist jedoch eine große Ausnahme. Zuletzt war es in den 1970er Jahren für eine handverlesene Auswahl ausländischer Traber offen - sowohl für Deckhengste als auch Mutterstuten - und das durchaus nicht einstimmig. Speziell die Familie um Albert Viel sprach sich damals vehement dagegen aus, wurde jedoch überstimmt.
Mit frappierenden Auswirkungen: Ein gewisser Jean-Pierre Dubois setzte voll auf diese Karte - und beherrschte ein Jahrzehnt später die Szenerie der französischen Deckhengste. Unter anderem Coktail Jet, der die Amerikanerin Armbro Glamour zur Mutter hat, rockte als Rennpferd und Vererber die Szenerie und wurde zum Grundstein des Imperiums der Herren „Dubois & Söhne“.
Diese Phase währte nur ein paar Jahre; seit nunmehr vier Jahrzenten ist dem „Franzosen-Traber“ kein ausländisches Blut, sprich fremdes Genmaterial mehr zugeflossen. Wer „modern“ züchten wollte wie Jean-Pierre Dubois, ging ins Ausland, wo Cracks wie Varenne, Infinitif, Taurus Dream das Licht der Welt erblickten. Seinem Beispiel sind Jean-Pierre Barjon, Philippe Allaire und andere in begrenztem Maße gefolgt.
Barjon, der international interessierte und aufgestellte Präsident von LeTrot, hatte das vorliegende Angebot längst begrüßt und empfahl es auf der Sitzung. Schließlich sprachen sich 82 Prozent der anwesenden Mitglieder dafür aus. In einer weiteren Abstimmung waren 51 Prozent dafür, es bereits 2025 nutzen zu können.
Philippe Boff, Präsident der Züchtervereinigung, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis: „Ein Glücksfall für unsere Züchter, Zugang zu diesem außergewöhnlichen Hengst zu bekommen und neues Blut in unsere Stammbäume zu bringen, während gleichzeitig die Regeln unserer Zucht beachtet werden.“
Eine bereits seit Anfang Juli, also vor diesem Angebot, vorliegende Antwort des französischen Landwirtschaftsministeriums, das letztlich sein Okay zu dem Prozedere geben muss, das die Verwendung von Tiefkühl-Sperma beinhaltet, auf eine allgemeine Anfrage der SETF fiel positiv aus. Es liegt nun an der Zucht- und Zuchtbuch-Kommission, die Modalitäten zu klären bzw. die entsprechenden Vorschriften anzupassen.
„Es wurden viele berechtigte Fragen gestellt und beantwortet, und es wäre eine Schande gewesen, ein derart attraktives Angebot auszuschlagen. Aber wir verspüren auch die große Verpflichtung, es sorgfältig abzuwägen, um nicht von potentiell unglücklichen Folgen überrascht zu werden“, ließ sich ein Teilnehmer der Konferenz gegenüber der Redaktion von LeTrot vernehmen. Präsident Boff resümierte: „Die Debatten waren lebhaft und konstruktiv im Hinblick auf unsere Zuchtvereinigung.“
Während der US-amerikanische Super-Vererber Muscle Hill nie ein Thema war, hatten einige gewichtige Stimmen nach den grandiosen Vorstellungen des schwedischen Prix-d’Amérique-Siegers Maharajah vor rund zehn Jahren damit geliebäugelt, für den Viking-Kronos-Sohn das Zuchtbuch begrenzt zu öffnen.
War seinem Erzeuger Muscle Hill die Ehre nicht vergönnt war, ins französische Stallion-Register aufgenommen zu werden, könnte dies, läuft alles glatt über die formale Bühne, sein Sohn nachholen. Der 2015 geborene Tactical Landing, dessen Mutter Southwind Serena ein Produkt des italienischen „Capitano“ Varenne ist, war schon als Jährling eine Sensation und wurde auf den Lexington Sales 2016 zum damaligen Weltrekordpreis von 800.000 USD versteigert.
Kein Wunder als Vollbruder zur Weltrekordlerin und Hambo-Zweiten Mission Brief. Vermochte er den Traum von der ganz großen Rennkarriere nicht vollständig zu erfüllen, so schlug er als Deckhengst ein wie eine Bombe: Mit seinen ersten beiden Jahrgängen stellte er die Hambletonian-Sieger Tactical Approach (2023) und Karl (2024), beide geformt von Nancy Takter.