Nachlese zum Wintermeeting in Vincennes
08. März 2019

Die Zeit der Statistiker ist angebrochen. Natürlich war Jean-Michel Bazire, der 20- bzw. zweifache Champion Frankreichs bei den Fahrern bzw. „Entraîneurs“, in beiden Kategorien der Mann dieser 90 tollen Renntage und setzte neue Maßstäbe.

Guarato Sebastien

Nimmt man lediglich die Ergebnisse der elf Prüfungen der höchsten Kategorie I unter die Lupe, von denen sechs für Ausländer offen waren - für die „Fremdlinge“ schaffte allein Readly Express den ganz großen Wurf -, so offenbart sich Erstaunliches: Spitzentrainer war Sébastien Guarato (Foto: prix-amerique.com), der mit seiner schlachtenerprobten älteren Garde um seinen ganz schön gestutzten „Frontmann“ Bold Eagle, zu der noch Carat Williams, Billie de Montfort und Valko Jénilat zählten, ziemlichen Schiffbruch erlitt. Dafür hat der 46-jährige einige vielversprechende Talente Gewehr bei Fuß stehen. Allen voran Face Time Bourbon, der wie Bélina Josselyn, die Königin dieses Winters, zwei klassische Siege schaffte; der jetzt vierjährige, vom seit Jahrzehnten in Frankreich lebenden Hamburger Geschäftsmann Rainer Engelke gezüchtete Ready-Cash-Sohn gilt vielen als designierter Nachfolger Bold Eagles - immer Gesundheit vorausgesetzt - und machte Björn Goop zum „klassischen Boss“: Neben diesen beiden Gruppe-I-Erfolgen gelang dem zwölffachen schwedischen Champion, der wie immer über Winter in Vincennes fast häufiger präsent war als in seiner Heimat, Nummer drei mit Readly Express, womit er Doppelsieger Bazire um einen „Point“ ausstach.

Guaratos zweiter großer Wechsel auf eine rosige Zukunft ist Green Grass, die für den ersten Geburtenjahrgang Bold Eagles Ehre einlegte und sich im Critérium des Jeunes gegen die große Allaire-Streitmacht erfolgreich zur Wehr setzte.

Der Rest waren Einzelsieger. Camille Levesque, selten und fast ausschließlich Pferde aus dem Training ihres Bruders Thomas bzw. ihres Vaters Pierre reitend, gelang mit Dexter Fromentro im Prix de l’Île-de-France endlich der heiß ersehnte erste Triumph auf höchster Ebene. Ebenfalls kaum in den Ehrenlisten von Nobel-Rennen zu finden sind Namen wie Paul-Philippe Ploquin, Julien Le Mer (die dies Fado du Chêne zu danken haben) und Jean-Philippe Mary. 

 

Die Sieger der elf Gruppe-I-Rennen (Rennen - Pferd - Fahrer - Trainer), chronologisch (*Trabreiten)

Critérium des 3 Ans                           

Prix de Vincennes*                   

Critérium Continental                                 

Prix de Cornulier*                              

Prix d’Amérique                       

Prix de l’Île-de-France*         

Prix de France                                  

Prix des Centaures*                         

Critérium des Jeunes                  

Prix de Paris                          

Prix de Sélection                             

Face Time Bourbon

Fado du Chêne

Eridan

Bilibili

Bélina Josselyn

Dexter Fromentro

Readly Express

Evangelina Blue

Green Grass

Bélina Josselyn

Face Time Bourbon

Björn Goop                 

Paul-Philippe Ploquin  

David Thomain           

Alexandre Abrivard       

Jean-Michel Bazire      

Camille Levesque     

Björn Goop                 

Mathieu Mottier           

Gabriele Gelormini      

Jean-Michel Bazire      

Björn Goop                 

Sébastien Guarato

Julien Le Mer

Sébastien Guarato

Laurent-Claude Abrivard

Jean-Michel Bazire

Thomas Levesque

Timo Nurmos

Jean-Philippe Mary

Sébastien Guarato

Jean-Michel Bazire

Sébastien Guarato

 

„La Ballerine“ Bélina Josselyn

Bellina Amerique 2019

…war die Großverdienerin dieses Meetings und wurde endlich auch nach Gewinnsumme zur Primadonna des galaktischen französischen „B“-Jahrgangs, der 2011 das Licht der Traber-Welt erblickt hat. Siebenmal trat die elegante, schlanke Fuchsstute über Winter an, gewann den Prix d’Amérique (Foto: prix-amerique.com) nach atemberaubendem Finish auf dem letzten Meter, den Prix de Paris, das längste Match des Winters für die Profis überhaupt, überlegen und musste den Sieg im Prix de Belgique wieder hergeben nach einer taktischen „Blackout“-Aktion ihres Herrn und Meisters, der sie im entscheidenden Moment nur durch ein Foul auf freie Bahn bekam. Dennoch scheffelte sie 594.900 Euro. Das reichte locker, um mit 2.284.930 Euro endlich Billie de Montfort von der weiblichen Spitze ihrer Generation zu verdrängen, die die Prinzessin der ersten Jahre war.

Bazire JM

Jean-Michel Bazire (Foto: pronostic-pmu.fr), der nicht sonderlich viel davon hält, seine Schützlinge in jungen Jahren auszuquetschen, obwohl es auch dort immens viel Geld zu verdienen gibt, fährt mit dieser Devise goldrichtig: Die kapriziöse Love-You-Tochter, extrem von seiner Hand abhängig, betrat erst im August 2015, also Mitte vierjährig, ganz vorsichtig die halbklassische (Gruppe-II-)Bühne - und wurde mit einer roten Karte heimgeschickt; da hatte sie gerade mal 130.330 Euro auf dem Sparbuch, Billie hingegen rund 900.000 Euro. Ähnlich verhält es sich mit Davidson du Pont, der sich noch später, nämlich am 13. Januar 2018 (da war er gerade fünf), auf jenem Niveau versuchte, sofort gewann und 13 Monate später mit drei Gruppe-I-Siegen und 849.910 Euro aus 33 Starts nicht nur blendend dasteht, sondern auch „JMBs“ Hoffnungsträger der nächsten Jahre ist. Was er drauf hat, zeigte er am Schlusstag. Zwar hatte er im Prix de Sélection als Titelverteidiger nicht den Hauch einer Chance gegen den 25 Meter besser gestellten Face Time Bourbon, in dem Viele jetzt schon den Nachfolger des heuer arg gerupften Bold Eagle sehen; doch seine 1:10,1 waren die schnellste Zeit, in der jemals ein Traber nach dem Ständestart (aus dem Band) über den schwarzen Belag des Plateau de Gravelle gefegt ist.

Andererseits: Auch nach zwölf Jahren war dem absoluten Vincennes-Bahnrekord nicht beizukommen. Kool du Caux2007 im Prix de France mit Franck Nivard erzielte 1:09,8 bleiben bis auf Weiteres das Maß der Dinge. Die größte Überraschung auf höchstem Niveau in positiver Hinsicht war ein Norweger. Looking Superbs Bilanz sah mit geradezu popeligen 85.122 Euro keineswegs superb aus, als er sich mit Jean-Michel Bazire in den Prix Ténor de Baune wagte, ihn tatsächlich gewann, somit die Eintrittskarte für den Prix d’Amérique als armer Schlucker löste und an jenem 27. Januar noch einen drauf setzte. Bis ihn Trainingskameradin Bélina Josselyn mit dem allerletzten Seufzer um Zentimeter abfing, war sogar der Triumph im spannendsten Amérique aller Zeiten greifbar nah.

 

Pferde, die im Laufe des Meetings mehr als 200.000 Euro gewonnen haben

(Abstammung, Trainer - Gewinne in Euro - Starts/Siege; ohne Nationalitäten-Kürzel: Frankreich)

1. Bélina Josselyn                       

2. Bilibili                         

3. Face Time Bourbon          

4. Readly Express (SE)                    

5. Traders (IT)                             

6. Looking Superb (NO)       

7 Clegs des Champs                  

8.Evangelina Blue                 

9. Feeling Cash                               

10. Dexter Fromentro                 

11. Davidson du Pont                   

12. Fado du Chêne                                 

13. Coach Franbleu                            

14. Green Grass                              

 

Love You                       

Niky

Ready Cash                 

Ready Cash                 

Ready Cash                 

Orlando Vici                 

Legs du Clos                

Speedy Blue                

Ready Cash                 

Qwerty 

Pacha du Pont             

Singalo

Prince d‘Espace          

Bold Eagle 

                   

Jean-Michel Bazire            

Laurent-Claude Abrivard  

Sébastien Guarato             

Timo Nurmos                      

 Philippe Allaire                   

Jean-Michel Bazire            

Thierry Raffegeau              

Jean-Philippe Mary            

Philippe Allaire                   

Thomas Levesque             

Jean-Michel Bazire            

Julien Le Mer        

Franck Leblanc  

Sébastien Guarato   

                                           

594.900       7 - 2

367.800       5 - 2

322.200       5 - 4

319.000       4 - 1

298.500       7 - 3

286.950       6 - 1

237.750       6 - 4

237.000       7 - 3

234.000       8 - 2

227.500       5 - 1

222.800       7 - 1

211.000       6 - 2

205.050       9 - 4

202.500       5 - 4

 

Jean-Michel Bazire drehte als Fahrer nicht weniger als elf weitere Ehrenrunden nach Siegen in Prüfungen der Kategorie II und III und konnte sich als Trainer über zwei weitere hochpreisige Titel freuen, die Alexandre Abrivard (mit Blé du Gers in der Clôture des GNT) und sein Sohn Nicolas Bazire mit Abydos du Vivier für ihn einfuhren. Lediglich im Trabreiten und bei den jüngeren Jahrgängen waren Pferde des Meisters wenig präsent, was bei ihm Methode ist: Aubrion du Gers, der als vermutlich bester Wallach der Welt mangels Engagements eine schöpferische Pause einlegen musste, Cleangame, Bel Avis - sie alle waren gleichfalls Spätentwickler, die mit steigendem Alter umso reichere Ernte einfuhren. In diese Kategorie passen die 2013 geborenen Dreambreaker und Dorgos de Guez.

Dorgos de Guez

Der Fuchs mit der breiten Blesse (Foto: paris-turf.com) gewann - durchweg mit „Jean-Mi“ unterwegs - fünf seiner sechs Vincennes-Versuche, biss sich lediglich am bärenstarken Mindyourvalue W.F. die Zähne aus, versprang Rang zwei und scheffelte in dieser Spanne 186.300 seiner 423.580 Euro „Lifetime-Gage“. War der Romcok-de-Guez-Sohn, mit dem Bazire eine Stunde nach dem Amérique-Triumph diesen in einer nie zuvor gesehenen Weise zelebrierte - deutlich vor dem Rest steuerte er den Wallach im Prix Jean-René Gougeon auf der Zielgeraden weit nach außen Richtung Zuschauer und animierte sie zur La Ola -, damit der Siegreichste bei den Sulky-Pferden, so schaffte dies ausschließlich unterm Sattel Evening Star (von Magnificent Rodney), die für Trainer Guy Thorels Team dabei 95.400 Euro heimbrachte.

 

Und die Deutschen?

dreambreaker

Auf Sparflamme gekocht wurden die deutschen Fans und allein dank Bazire gelegentlich aus dem Winterschlaf gerissen. Der ihm im Juni überstellte Dreambreaker (Foto: equida.fr) war bis Ende Januar praktisch Alleinunterhalter auf dem Plateau de Gravelle, was die schwarz-rot-goldene Fahne betraf. Nach vier Siegen an der Strippe, die noch zum Herbst-Meeting zählten, langte es für das Schmuckstück des ambitionierten Stalles Oberkracher „nur“ zu drei Siegen aus sechs Versuchen, weil sich der Offshore-Dream-Sohn zweimal alles durch Galoppaden vermasselte. Ergab 116.550 Euro „Winterfutter“, und zählt man die vorherige Rallye hinzu, hat der knurrige Braune unter den Fittichen des Meisters mal eben 223.400 Euro gebunkert.

Lesperanza

Ab Mitte Januar trauten sich dann einige andere „Deutschblütige“ in den Bois de Vincennes und hübschten die magere Bilanz auf. Der von Jean-Pierre Dubois ins hiesige Gestütbuch eingetragene, die Farben der Gerrits Recycling Group tragende, von Erwin Bot in den Niederlanden vorbereitete City Guide wies nach Ablauf seiner Dopingsperre zweimal - am 29. Januar und 9. Februar - mit Robin Bakker der Konkurrenz in beeindruckender Manier den Weg und bekam dafür 42.300 Euro angeschrieben. Beim zweiten Versuch zog er Trainingskamerad Great Gatsby As (Züchter Alwin Schockemöhle) auf Platz zwei (11.750 Euro). Zu zwei Volltreffern wäre um ein Haar auch Gestüt Lasbeks Lesperanza (Foto: travnet.com) gekommen. Die einst so kapriziöse Ready-Cash-Tochter präsentierte sich unter der Regie von Björn Goop deutlich gereift. Nachdem sie am 24. Januar noch um den schon sicher geglaubten Sieg abgefangen wurde, trumpfte sie nur 18 Tage später in 1:14,9/2850m groß auf und verdiente bei den beiden Starts mehr als 30.000 Euro.

Popeye Diamant

Ist dem Verfasser dieser kleinen Chronik niemand durch die Lappen gegangen, so gebührt Popeye Diamant (Foto: paris-turf.com) die Krone jener Trotter, die ihr Basislager in Deutschland haben. Der „Spinatmatrose“ der Besitzergemeinschaft Stall Kaurismäki & Stall M.S. Diamanten ließ zweimal gewaltig die Muskeln spielen: Zunächst mit Thomas Royer über 4125 Meter im längsten Amateurfahren, das Vincennes zu bieten hat, anschließend mit seinem Frankreich-affinen Trainer Gerhard Biendl souverän vorn - machte nach zwei Siegen 26.550 Euro „Bares für Rares“ auf dem Sparbuch des achtjährigen Love-You-Sohnes.

 

Kaiser Jean-Mi

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Das vom ersten Tag bestehende Gefühl, Jean-Michel Bazire gebe der Konkurrenz gnadenlos Saures, trog nicht. Im Vorjahr hatte er bei den Trainern mit 61 „Winnern“ Franck Leblanc als Rekordler entthront, dessen Truppen 2011/2012 54 Schleifen eingefahren und -geritten hatten, und setzte in diesem Winter noch einen drauf: Unglaubliche 71 Treffer gelangen seiner Equipe - überwiegend im Sulky; der letzte blieb ihm selbst am Schlusstag mit Fairplay d’Urzy vorbehalten. Die übrigen „üblichen Verdächtigen“ sahen ihn bei dieser Rallye stets aus weiter Ferne. Der 47-jährige brachte drei seiner Schützlinge in die 200.000-Euro-Liste, stellte mit Bélina Josselyn die Gewinn-, mit Dorgos de Guez den Siegreichsten - Herz, was willst du mehr? Dazu ist er trotz aller Anspannung im knallharten Profi-Geschäft, in dem es nicht nur darum geht, die Pferde gesund in den Stall zurückzubringen, sondern auch um immens viel Geld, stets für unerwartete, magische Momente gut - siehe Dorgos de Guez im, Bélina Josselyn vor dem Rennen (Foto). Genau deswegen liegen ihm die „turfistes“ zu Füßen. Kronprinz wurde der sein Vorjahrs-Ergebnis um acht Siege steigernde Franck Leblanc.

Im Fahren verbesserte sich der Liebling der Massen um 23 (2017/18) auf 88 Meeting-Siege. Ein Rekord für die Ewigkeit? Schließlich hat er bereits 2017 verlauten lassen, er wolle kürzer treten, nicht mehr auf jeder fahrerischen Hochzeit tanzen und sich intensiver dem Training widmen. Was dabei herauskam, waren die ersten beiden Championate als Trainer und feine Lorbeeren, die Alexandre Abrivard und sein Zug um Zug ins gehobene Fahrgeschäft involvierter Sohn Nicolas mit seinen Schützlingen ernten durften. Die alte Bestmarke stammte natürlich auch von ihm: Im Winter 2009/2010 war der Mann aus Le Mans 86 Mal als Erster am Zielpfosten.

 

Top 5 der Trainer nach Siegen (Rang nach Gewinnen)

1.   Jean Michel Bazire     

2.   Franck Leblanc            

3.   Sébastien Guarato      

4.   Philippe Allaire            

5.   Thierry Duvaldestin     

71           1

36           3

26           4

25           2

23           6

 

Top 5 der Fahrer (Siege)

1. Jean Michel Bazire       

2. Franck Nivard                 

3. Eric Raffin                       

4. Yoann Lebourgeois      

5. Matthieu Abrivard          

88

48

44

31

26

 

 

Top 5 der Reiter (Siege)

1. Eric Raffin                       

2. AlexandreAbrivard        

3. Yoann Lebourgeois      

4. Adrien Lamy                   

5. Matthieu Abrivard          

27

22

15

15

15

 

Hier nochmal der Youtube-Link zu "Meeting d'hiver, le meilleur du meilleur" - das Beste vom Besten:

https://www.youtube.com/watch?v=pKY8bZZQoSo

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