Der König grüßt huldvoll
29. April 2019

Jenem 15.000-Einwohner-Städtchen rund 40 Kilometer südlich der alten Normannen-Hauptstadt Caen, das einmal im Jahr vierbeinige Traber-Größen begrüßen darf. 1969 spendierte man sich das Critérium de Vitesse de Basse Normandie - die Premiere gewann Jean Mary mit Tidalium Pélo vor Une de Mai -, das seitdem fest im französischen Rennkalender verankert ist. Kleiner Wermutstropfen zur Jubiläumsausgabe: Selbst vor der 50. Auflage machte der Rotstift der S.E.C.F. nicht halt und degradierte sie von 100.000 auf 90.000 Euro.

Um die Sache für die Sprinter, die in diesen Wochen eine Fülle lukrativer Felder beackern können, reizvoller zu machen, hatte man sich 2012 einen Clou ausgedacht. In La Capelle (Grand Prix de La Capelle, 7. Juli) und Cagnes-sur-Mer (Grand Prix du Conseil Général) fanden bislang schon 1609-Meter-Aufgaben der Gruppe II um 100.000 Euro statt. Erstmals 2017 hat man das Jägersroer Hugo Åbergs Memorial in diese Mini-Serie des TGV (Trot Grand Vitesse) eingebaut. Wer an allen vier Prüfungen teilnimmt und bei dreien die Nase vorn hat, erhält 50.000 Euro Bonus.

aubrionJLL_opt

Erster Anwärter darauf, der diese Serie vermutlich jedoch nicht durchziehen wird, wurde Aubrion du Gers. Der vermutlich beste aktive Wallach der Welt kam mit der Empfehlung von 20 Siegen aus den letzten 21 Engagements angereist, und weil er von Startart, Distanz, Rennverlauf, Kursrichtung und Geläufbeschaffenheit völlig unabhängig und auch sonst ein entspannter Typ ist, den so leicht nichts aus der Ruhe bringt, trat er bei 12:10 - bis kurz vor dem „Ab“ notierte er gar noch einen Punkt weniger - als Tipp des Nachmittags an. 198.748 Euro notierte die PMU als Siegeinsatz, 646.266 waren es bei den Platzwetten - da wird so mancher den Sparstrumpf bis zum Grund ausgekehrt und den letzten Franc bzw. Euro auf das wie immer ohne Check mit einem ganz simplen Zaum antretende Kraftpaket angelegt haben, um binnen zwei Minuten die von der PMU garantierte zehnprozentige Rendite einzustreichen. (Foto: letrot.com)

Schwitzen musste er dafür nicht eine Sekunde, denn Jean-Michel Bazire fackelte bei der recht bescheidenen Konkurrenz nicht lange. Zügiger in die Gänge als die mit der „4“ optimal bediente einstige Raketenstarterin Billie de Montfort, die enorm von ehemaliger Explosivität eingebüßt hat, kamen Venosc du Minel und vor allem Tamure Roc, der als Italienerin Sprintdistanzen praktisch in die Wiege gelegt sind. Doch auch Aubrion du Gers war an der „7“ zeitig auf den Beinen, kreuzte in der ersten Biege an der Seite der Exploit-Caf-Tochter auf und knöpfte ihr ausgangs derselben die Spitze ab. Bei mäßigem Tempo kam wenig später Billie de Montfort angebraust und bekam von Bazire das Zepter auf dem Silbertablett dargereicht - da dürfte es im Vorfeld eine Absprache mit Eric Raffin gegeben haben.

Eingangs der Schlusskurve, in der Clif du Pommereux und Alamo du Goutier ausfielen, vollendete Aubrion du Gers bei schlagartig erhöhter Pace die lange Rochade, wobei Tamure Roc sofort den Kontakt verlor. Weit vor dem Zielstrich schien die Mission „44. Sieg beim 68. Start“ für den erst im Dezember 2015 und somit Ende fünfjährig erstmals auf Gruppe-Ebene präsenten Memphis-du-Rib-Sohn geritzt, der zwei Längen vor der einzigen ernsthaften Verfolgerin Billie de Montfort seine Bahn zog. Eine kleine Schrecksekunde hatte der Neunjährige für seine Anhänger dann aber doch noch drauf: Bislang stets mindestens 2100 Meter auf Achse gewesen, dachte er wohl, es ginge noch ein bisschen weiter und wollte sich dafür etwas schonen. Plötzlich witterte Raffin die unverhoffte Chance, entlockte Billie de Montfort einige Reserven und rückte ihm zügig auf den Pelz. Zwei, drei ernsthafte Ermahnungen „JMBs“ genügten, dem Favoriten das Phlegma auszutreiben, der sicher mit einer halben Länge Vorsprung den 14. Treffer in Serie markierte, ohne zu glänzen.

Dritte blieb Tamure Roc vor dem speedigen Ange de Lune und Romanesque, der sich nicht voll für das Pech der vorjährigen Auflage schadlos halten konnte: 2018 hatte er, wie heuer Riesenaußenseiter, Up and Quick und Un Mec d’Héripré um Haaresbreite düpiert und war in einer höchst zweifelhaften, viel diskutierten Enquête-Entscheidung komplett aus der Wertung genommen worden. Eine traurige Figur gab Django Riff ab. Dem dritten Millionär im Bunde nutzte selbst alle innere Schonung nichts. Um Platz fünf verlor er 200 Meter vorm Ziel das Geläuf. Viel Pep war nicht in der Geburtstags-Party, zu der sich auch die Sonne hinter dichten Regenwolken hervorgetraut hatte: Mit 1:13,5 blieb Aubrion du Gers um Lichtjahre über dem Renn- und Bahnrekord, den Up and Quick seit 2017 mit 1:09,4 hält.  

aubrion-argentan-jpg

„Brillant war’s nicht; er hat einfach nur seinen Job erledigt. Wenn Billie auf den Punkt gebracht wird, kann sie ganz schön zudringlich werden, aber ich denke, wir haben die Sache sicher im Griff gehabt. Normalerweise beginne ich mit ihm nicht so aufwändig, aber ich wollte im Hinblick auf weitere Aufgaben sehen, was man ihm zumuten kann. Alles in allem war die Vorstellung okay“, resümierte der am 16. April 48 Jahre alt gewordene Jean-Michel Bazire. 40.500 Euro Reisegeld für die mit 2.263.447 Euro proper gefüllte Kriegskasse der gemeinsamen Besitzer Bazire und Jean-Pascal Bragato sind ja auch nicht zu verachten. Nun geht’s am 15. Mai nach Caen zur Titelverteidigung des Prix des Ducs de Normandie, und nur elf Tage später lockt der Elitloppet. (Foto: equidia.fr)

50. Critérium de Vitesse de Basse Normandie (Gruppe II int., Vier- bis Zehnjährige)
1609 Meter Autostart, 90.000 Euro
1.    Aubrion du Gers    13,5    Jean-Michel Bazire    12
    9j.br. Wallach von Memphis du Rib a.d. J’Arrive du Gers von Baccarat du Pont
    Be / Tr: Jean-Michel Bazire; Zü: Marie-Brigitte Anty

2.    Billie de Montfort    
3.    Tamure Roc   
4.    Ange de Lune   
5.    Romanesque   
6.    Azur des Caillons    
7.    Virgious du Maza    
8.    Copernic de Play
       Venosc de Minel    
       Django Riff    
       Clif du Pommereux    
       Alamo du Goutier    
13,5    Eric Raffin    
13,9    Santo Mollo    
14,0    Matthieu Abrivard    
14,1    Gabriele Gelormini    
15,0    Alexandre Abrivard    
15,3    Sébastien Ernault    
15,4    Franck Blandin    
6.dai    Tony Le Beller    
dis.r.    Jean-Philippe Monclin    
dis.r.    David Thomain    
dis.r.    Vincent Hébert    
58
440
200
490
860
1340
1040
1100
190
310
1290

Sieg: 12; Richter: sicher ½ - 3 - Hals - 2 - (1) - 5 Längen; 12 liefen
Zw-Zeiten: 13,9/609m - 11,5/1109m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro

Link zum Rennvideo: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2019-04-27/6102/3

Napa Valleys siebenter Streich

Als wäre Deutschland inzwischen zu einem der Kernländer des Trabreitens avanciert, wurde der Prix Texas Charm für Fünf- bis Neunjährige bis 189.999 Euro Gewinnsumme zu einer deutschen Angelegenheit. Vor Jahresfrist hatte Napa Valley, 2014 Sieger des Berliner Zweijährigen-Auktionsrennens, diese Prüfung von der 2875-Meter-Grunddistanz mit Franck Nivard gewonnen. Diesmal saß Alexandre Abrivard im Sattel des Rappen mit dem langen Schweif, der zum dritten Mal binnen kurzem auf Zauni traf. Der wiederum hatte vor einem Jahr bei dieser Veranstaltung eine Etage tiefer Ronja Walter ihren ersten Frankreich-Sieg beschert. 1:1 stand es in heuer zwischen diesen beiden Monté-Experten, von denen Napa Valley den weitaus besseren Start hinbekam.

napa valley argentan

Zeitig an vierter Stelle zu sehen, machte Abrivard früh Nägel mit Köpfen und knöpfte eingangs der zweiten Kurve mit einem überfallartigen Angriff Maik Espers Evening Quick das Kommando ab. Zauni, dort noch im vierten Paar außen liegend, wurde von Ronja Walter für die Schlussrunde an die Seite des eine stramme Pace vorlegende In-Dix-Huit-Sohnes beordert. Als im finalen Bogen Corado des Cambres im Galopp ausfiel und Evening Quick zu schwächeln begann, schien die Entscheidung nur zwischen den beiden Deutschen zu liegen. So sehr sich Ronja Walter auch mühte, der sich überlegen aus dem Staub machende Napa Valley wohnte schlichtweg in einer anderen Straße und wurde seiner 24:10-Favoritenstellung vollauf gerecht. Acht Längen voraus war dies der siebente Frankreich-Sieg des von Jean-Pierre Dubois gezüchteten Hengstes, der nach 1:15,2/2900m um 11.250 Euro reicher wurde und nun 180.926 Euro auf dem Konto hat.

Zauni wurde von dem sein erstes Monté in prächtiger Manier absolvierenden Aron the Baron in ein Foto-Finish gezwungen, das zu Gunsten von Deutschlands Traber des Jahres 2018 ausfiel. Der erhielt für seine 1:15,7-Vorstellung 6.250 Euro gutgeschrieben - und der Däne nix: Wegen deutlich sichtbarer unsauberer Gangart wurde er nach „Enquête“ disqualifiziert, wodurch Evening Quick hinter Cash Drive auf Platz vier vorrückte. Im Duell mit Zauni liegt Napa Valley nun mit 2:1 vorn; da auch Zauni mit 158.734 Euro in ähnlichen Gehalts-Sphären schwebt, werden diese Beiden wohl noch öfter die Klingen kreuzen - derzeit mit klaren Vorteilen für den Älteren.

Link zum Rennvideo: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2019-04-27/6102/2

Blass blieb im mit dem Auto gestarteten Prix Up and Quick (24.000 Euro; fünfjährige Europäer, keine 75.000 Euro) Mike Lenders‘ Breeders-Crown-Zweite Voyage d’Amour. Die Quick-Wood-Tochter kam nie von hinten weg und erhielt sieben Längen hinter der Schwedin Helena di Quattro, die sich mit Cees Kamminga in 1:14,1/1609m hauchdünn gegen Venivici Roc und Elvis Berry behauptete, nur deswegen die sechste Prämie von 480 Euro, weil sich in der Endphase Enzo Delpha und Elan du Rocher um Kopf und Kragen sprangen und 26:10-Favorit Hooters USA beim „Ab“ ausgefallen war.

Link zum Rennvideo: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2019-04-27/6102/4

Mehr „Deutsch gesprochen“ im Rennbericht wurde nach dem Prix Osarus (2150m Autostart; 27.000 Euro; Vier- und Fünfjährige, keine 95.000 Euro) durch den bald die Außenspur anführenden Great Gatsby As / Franck Nivard und dessen steten Schatten Very Impressive S / Cees Kamminga. Gegen die sich aus der Frontlage überraschend leicht auf drei Längen absetzende 419:10-Außenseiterin Florida Sport, mit der Miguel Mestre Suner nach 1;14,9 daheim war, war von den beiden Deutschen ebenso wenig zu machen wie gegen die an dritter Innenposition lauernde Factive Montaval (680:10), die um Nüsternbreite vor dem „Großen Gatsby“ anschlug, an dem wiederum Very Impressive S trotz allen Einsatzes um eine Länge abprallte (alle 1:15,2). Die „Deutschblütigen“ nahmen für sehr ansehnliche Leistungen 3.780 bzw. 2.160 Euro mit.  

Link zum Rennvideo: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2019-04-27/6102/5

Powered by eZ Publish™ CMS Open Source Web Content Management. Copyright © 1999-2012 eZ Systems AS (except where otherwise noted). All rights reserved.