Vincennes, Sonntag, 29. Dezember 2024. Was für ein Fausthieb auf den Tisch des Hauses auf dem Plateau de Gravelle zur rechten Zeit. Im Prix de Bourgogne, der fünften und vorletzten Qualifikation für den Prix d’Amérique 2025, stopfe Idao de Tillard im goldrichtigen Moment jedem der zahlreichen Zweifler und Hasenfüße die Mäuler und/oder die „Federn“ mit einer eines großen Champions würdigen, über jeden Zweifel erhabenen Vorstellung vier Wochen vor dem Tag X.
In den letzten Wochen waren nach drei für einen Traber seiner Klasse schwachen Auftritten Tonnen an virtueller - in den sogenannten sozialen Medien, die manchmal ziemlich asozial gefüttert werden - und tatsächlicher Druckerschwärze mit Artikeln über ihn verbraucht worden, die seinen Abgesang vorhersahen. Zum Teil zu Recht wie nach jenem blutleeren Debakel im Prix du Bourbonnais vor drei Wochen, den er als Achter beendete, nur ein Schatten seiner selbst war und selbst Trainer Thierry Duvaldestin, der ihm für jene Prüfung noch einen grünen „Smiley“ verpasst hatte, etwas ratlos zurückließ.
Des Rätsels Lösung folgte bekanntlich wenige Tage später, als bei dem Hengst eine Leptospiren-Infektion diagnostiziert wurde. Eine Krankheit, die, wenn sie unterschwellig verläuft, manchmal schwer zu fassen, dafür mit einem entsprechenden Antibiotikum umso effektiver zu behandeln ist. Man konnte beim Interview kurz nach vollbrachter Tat nicht nur einen Stein, sondern einen halben Berghang vom Herz des auch im kommenden Jahr amtierenden französischen Trainerchampions plumpsen hören.
Der 53-jährige wusste natürlich um die Arbeitsleistungen seines Juwels, doch sind Training und Rennen oft genug zwei verschiedene Paar Schuhe. Das Sandkorn in der Feinmechanik von Idaos Betriebssystem scheint nach dem heutigen Eindruck ausgemerzt, die Ansage an die Konkurrenz war schlichtweg brutal - und das in einer formidablen Zeit: Mit 1:09,8 verfehlte der braune Bomber bei seinem 32. Volltreffer aus lediglich 48 Versuchen, mit dem er bei 2.448.660 Euro angelangt ist, den zwei Jahre alten Rennrekord der Délia du Pommereux nur um 0,2 Sekunden.
„Keine Spur von einem Wackler im Schlussbogen, der immer ein bisschen seine Achillesferse war, wo man aufpassen musste. Er war heute geschmeidig und flexibel wie eine Katze. So habe ich ihn noch nie erlebt“, kommentierte der Coach und gab zu, in den letzten Wochen durchaus ein mulmiges Gefühl im Magen gehabt zu haben. Seine Trainerkollegen stimmten in den Lobgesang ein. „Für den Sport kann es nichts Besseres geben, dass sie den Champion wiedererweckt haben. Fantastisch“, war beispielsweise der Kommentar Pierre-Emmanuel Marys.
Ein bisschen hielt der Trainer den binnen weniger Minuten von unter der Grasnarbe in den Himmel geschossenen Ball dennoch flach: „Ich wäre auch mit einem Platz unter den ersten Vier zufrieden gewesen. Nein, ich werde ihn nicht so haben können wie im Vorjahr. Daran kann ich nichts ändern. Aber Idao ist in jeder Hinsicht reifer und flexibler geworden. So läuft nun mal das Leben der Champions auf höchstem Niveau. Es liegt an uns, damit so gut und effektiv wie möglich umzugehen."
"Clément hat ihm aber auch einen perfekten Run serviert. Ob wir ihn im ‚Amérique‘ noch leichter machen? Ich weiß es nicht. Heute ist er zum vierten Mal vorn mit Plastikscheiben statt leichten Eisen unterwegs gewesen und hat toll gelegen. Vielleicht sollten wir es dabei belassen und wegen ein paar Gramm kein ‚barfüßiges‘ Risiko eingehen.“
Pflegerin Susanne Ohme konnte ob dieses Befreiungsschlags nach all den Kalamitäten Tränen der Freude und Erleichterung nicht zurückhalten, und sein Pilot Clément Duvaldestin gestand: „Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass er gewinnen würde. Er hat bewiesen, dass er in guter Verfassung ist, und wir können optimistisch in die Zukunft blicken. Das ganze Team hat sich hingebungsvoll um ihn gekümmert, er fühlt sich wohl, hat seinen Appetit zurückbekommen - kurzum, er ist auf einem prima Niveau."
"Ich hatte über den gesamten Parcours ein ausgezeichnetes Gefühl. Er ließ sich sehr einfach fahren, am Ende hab ich nicht mal die Ohrenwatte gezogen (die blieb auch bei Go On Boy drin / Anm.d.Red.). Dieses Match wird ihn gefördert haben. Ich hoffe, bis zum Amérique kommt uns nichts mehr in die Quere. Ich denke, dann wird wiederum Go On Boy unser Hauptgegner sein.“
Genau der hat zwei Monaten nach seinem Ehrenplatz im Gran Premio delle Nazioni zu Mailand aus dem Stand „wie erwartet einen phänomenalen Lauf hingelegt“, wie Romain Derieux unterstrich, „wir sind in dritter Spur mit der Nase im Wind aus dem kleinen Wäldchen gekommen (am Gipfel des Anstiegs / Anm.d.Red.) und hatten Idao im Nacken. Go On Boy hat bestätigt, was ich die gesamte Zeit über gespürt habe: Er ist voller Saft und Kraft und Tatendrang. Wir können mit der Quali-Karte in der Tasche die kommenden Wochen entspannt angehen und uns auf den ‚Amérique‘ konzentrieren. Dort wird er im Gegensatz zu heute, als er rundum leichte Eisen trug, komplett barfuß laufen wie unter anderem im Elite-Finale.“
Überglücklich war Jean-Rémi Delliaux über Justin Bold: „Vor einer Woche waren wir nach Platz drei im Prix Ténor de Baune ziemlich enttäuscht, denn dort wollten wir uns eigentlich nach Absage von Jushua Tree, Joviality und Josh Power das Amérique-Ticket sichern. Mit Startplatz 15 war’s heute viel schwieriger, doch dank eines überragenden Endspurts ist er nun für das Millionenrennen qualifiziert. Grandios!“
Ein komplettes Waterloo erlebten hingegen die „étrangers“ auf der ihnen auf den Leib geschnittenen Sprintstrecke von Vincennes: Vom Gocciadoro-Trio war Banderas Bi gestrichen worden; Always EK fiel am Start, Bengurion Jet im Hintertreffen ohne Feindeinwirkung an der letzten Ecke aus. Dimitri Ferm ließ 700 Meter vor Ultimo den Kontakt zu Hussard du Landret abreißen.
Zu einer wahren Demütigung geriet der „Bourgogne“ für Daniel Redén. Von Mister Hercules war nach bescheidenen letzten Auftritten in seiner Heimat ohnehin nicht viel erwartet worden. Wie Don Fanucci Zet, für den der ebenfalls über 2.100 Meter führende Prix de France als Ziel dieses Winters ausgerufen ist, nach 1.200 Metern gnadenlos die Waffen streckte und endlos distanziert durchs Ziel schlich, nährt die Befürchtung, dass der Elitloppet-Sieger von 2021 alles andere denn „fit and well“ gewesen ist.
So blieb es dem als innerer Dritter sich wacker schlagenden Oracle Tile vorbehalten, als Fünfter die Fahne der Fremdlinge wenigstens ein kleines bisschen hochzuhalten. Aus dem „Amérique“ kegelte ihn der dafür bereits qualifizierte Hokkaido Jiel mit gewohnt kernigem Endspurt.
Der Rennverlauf
Während Always EK (13) kurz nach dem Start die Segel im Galopp strich, pochte Don Fanucci Zet von der Ideal-Rampe „2“ unmissverständlich vor Inmarosa (1), Oracle Tile (11) und Mister Hercules (14) aufs Kommando. Wie ein Jet losgedüst war auch Dimitri Ferm (8), der sich am Schweden die Zähne ausbiss, auf den Todessitz musste und dort zu Beginn des Anstiegs von Hintermann Hussard du Landret abgelöst wurde. Hinter dem Italiener lag Roger Wittmanns Idéal Ligneries, während Emeraude de Bais (3) auf Gleis drei lanciert wurde und Gu d’Héripré, der wenig später aus dem Rennen dirigiert wurde, Go On Boy, Idao de Tillard, Justin Bold und Josh Power den Hügel hinaufzog.
Zu viel zugemutet hatte Pierre-Yves Verva seiner zehn Jahre alten Dame, für die dies der 111. Auftritt war, zunächst nicht. Als Hussard du Landret eingangs der Schlusskurve mehr Tempo einforderte, war Don Fanucci Zet in erschreckender Manier schachmatt. 200 Meter weiter war auch der ungewöhnlich offensiv vorgetragene Bretagne-Sieger Hussard du Landret mit seinem Latein etwas am Ende. In bestechender Manier führte Emeraude de Bais das Feld aus dem Schlussbogen, fiel urplötzlich in Galopp und bremste den direkt hinter ihr liegenden Hussard du Landret unsanft aus (vier Tage Fahrverbot für Pierre-Yves Verva).
Umso freier war der Weg für Go On Boy. Dem Sieger des UET-Elite-Circuit-Finales winkte der Sieg jedoch nur für wenige Sekunden - bis Idao de Tillard den Turbo zündete. Der Séverino-Sohn wurde immer flacher und windschnittiger und düpierte Go On Boy um eine Länge. Ähnlich übersichtlich waren die Abstände zu Justin Bold, der den beiden Granden am ehesten auf den Fersen blieb, Hokkaido Jiel und Oracle Tile, der einen „Hals“ vor Josh Power anschlug. Dem mit der „17“ gestraften furiosen Sieger des „Bourbonnais“ verschrieb Eric Raffin einen streng defensiven Part, der Go On Boys kleinem Bruder im Hinblick auf den 26. Januar bestens gemundet haben dürfte.
Prix de Bourgogne (Gruppe II int., vier- bis zehnj. Hengste & Stuten, mind. 130.000 Euro)
2100 Meter Autostart, 120.000 Euro
1. Idao de Tillard 09,8 Clément Duvaldestin 37
6j.br. Hengst von Séverino a.d. América de Tillard von First de Retz
Be: Cyril Sevestre; Zü: Françoise Chaunion; Tr: Thierry Duvaldestin
Pflegerin: Susanne Ohme
2. Go On Boy 09.9 Romain Derieux 38
3. Justin Bold 10,0 Mathieu Mottier 660
4. Hokkaido Jiel 10,1 David Thomain 170
5. Oracle Tile 10,2 Benjamin Rochard 370
6. Josh Power 10,2 Eric Raffin 310
7. Idéal Ligneries 10,5 Jean-Philippe Monclin 410
8. Hussard du Landret 10,6 Yoann Lebourgeois 280
9. Mister Hercules 10,9 Alexandre Abrivard 490
10. Don Fanucci Zet 11,8 François Lagadeuc 52
11. Inmarosa 12,4g Léo Abrivard 370
12. Dimitri Ferm 12,6 Matthieu Abrivard 180
13. Happy and Lucky 15,8 Adrien Lamy 1770
14. Gu d’Héripré 15,8 Théo Duvaldestin 140
Always EK dis.r. Magnus Djuse 240
Bengurion Jet dis.r. Gabriele Gelormini 820
Emeraude de Bais dis.r. Pierre-Yves Verva 210
Sieg: 473; Richter: sicher 1 - 1¼ - 1 - 1¼ - Hals - 2½ - 1 - 4 Längen; 17 liefen (NS Banderas Bi)
Zw-Zeiten: 04,7/600m - 07,5/1100m - 08,7/1600m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-12-29/7500/4
13 Amérique-Karten sind somit vergeben; am 12. Januar folgt mit dem Prix de Belgique die letzte Chance, sich sportlich zu qualifizieren.
Qualifiziert für den Prix d’Amérique 2025:
Hussard du Landret – San Moteur – Hooker Berry – Just Love You (Prix de Bretagne)
Josh Power – Emeraude de Bais – Hokkaido Jiel – Fakir de Mahey (Prix du Bourbonnais)
Keep Going (Critérium Continental, Vierjährige)
Just Love You (Prix Ténor de Baune, Fünfjährige)
Idao de Tillard – Go On Boy – Justin Bold – Hokkaido Jiel (Prix de Bourgogne)
Letzte Qualifikations-Möglichkeit:
12. Januar 2025 Prix de Belgique