Stockholm, Dienstag, 19. April 2022. Zumindest vor der Sportgerichtsbarkeit ist der Fall Propulsion, der vor allem auf den schwedischen Hauptverband ein außerordentlich schlechtes Licht geworfen hat, nunmehr abgeschlossen.
Ende März hatte der Överdomstolen, die oberste Rechtsinstanz des schwedischen Trabersports, den Einspruch Daniel Redéns gegen seine Verurteilung durch den Disziplinarausschuss STAD (Svensk Ansvars- & Disciplinnämden) verhandelt und am Dienstag seine Entscheidung verkündet, die in einem Punkt wesentlich abweicht.
Wie der STAD erkannte auch der Överdomstolen eine Schuld des Trainers, sich nicht ausreichend um die körperliche Verfassung Propulsions gekümmert zu haben, den er im August 2015 vierjährig auf einer Auktion in den USA ersteigert hatte. Im März jenes Jahres war der Muscle-Hill-Sohn mittels Lasern einer „Neurektomie“ an beiden Vorderbeinen unterzogen worden, die weder zum Zeitpunkt der Auktion noch wenige Tage später auf seinen Papieren (Fohlenschein, Ausfuhrschein) vermerkt worden war.
In Nordamerika dürfen Traber mit Nervenschnitten weiterhin Rennen laufen, während dies im gesamten Bereich der UET lebenslang untersagt ist - unabhängig davon, ob, wie das häufig der Fall ist, nach einigen Jahren die nervöse Versorgung auf natürlichem Weg wiederhergestellt ist.
Erst auf einem zweiten Exportzertifikat, das wenige Monate später ausgestellt worden war und das Redén nach eigener Aussage nie zu Gesicht bekommen hat, sondern das direkt beim schwedischen Zentralverband gelandet ist, war der Nervenschnitt vermerkt worden. Svensk Travsport hatte aber nie darauf reagiert.
Als 2019 erstmals das Gerücht aufkam, Propulsion sei neurektomiert worden, hatten ST und Redén „Proppen“ von einem Veterinär untersuchen lassen, der an beiden Vorderbeinen keine Gefühllosigkeit hatte feststellen können, womit die Sache für beide Seiten offenbar erledigt schien.
Ein Jahr später nach des Hengstes triumphalem Elitloppet-Sieg kochte die Sache erneut hoch, als ein norwegischer Journalist die Kopie jenes US-amerikanischen Fohlenscheins vorlegte, aus dem eindeutig hervorging, dass der neunjährige Hengst besagten Neurvenschnitts mittels Lasertechnik unterzogen worden war.
Sportgerichtlich kam, was fast zwangsläufig kommen musste: Erst in Skandinavien, Anfang dieses Jahres auch im Rest Europas wurde Propulsion disqualifiziert, seine Leistungen aus den Ergebnislisten gestrichen, entsprechende Prämien an die Besitzer der Nachrücker ausbezahlt.
Im Gegensatz zur ersten Instanz, die die Schuld Redéns bestätigte, seinen hochgesteckten Verpflichtungen als Trainer nicht vollständig nachgekommen zu sein, aber von einer weitergehenden Bestrafung absah, verdonnerte ihn der Överdomstolen zu 100.000 Kronen Geldbuße.
Zur Begründung heißt es unter anderem:
Redén hat durchaus die Möglichkeit gehabt, nach dem 18. August 2015 durch Kontaktaufnahme mit der amerikanischen Behörde USTA (United States Trotting Association) Propulsions Status bezüglich der Nervenschnitte zu klären. Er habe eben nicht jede Möglichkeit genutzt, um Verstöße gegen schwedische und/oder europäische Vorschriften zu verhindern.
Eine Bestrafung ist folglich nicht unangemessen.
Jeder der in Schweden erfolgten 45 Starts ist ein Regelverstoß für sich und stellt eine gesonderte Straftat dar. Es ist nicht möglich, alle Starts als einen Verstoß anzusehen.
Gleichwohl wären Strafen für jeden einzelnen dieser 45 Verstöße unangemessen und zu hoch. Weil die Untersuchung durch den ST 2019 keinen Hinweis auf einen Nervenschnitt ergeben habe (was durchaus nachvollziehbar ist/Anm.d.Red.), gibt es besondere Gründe, das Bußgeld nach unten anzupassen.
Diese Entscheidung der höchsten sportlichen Instanz ist sportgerichtlich unanfechtbar.
Ein Schlussstrich dürfte damit unter die seit zwei Jahren schwelende „Causa Propulsion“ vermutlich dennoch nicht gezogen sein. Immerhin geht es um Preisgelder in Höhe von 26,3 Millionen Schweden-Kronen, die der schwedische Verband nun vom Stall Zet zurückfordert bzw. über das Gewinnkonto des Stalles einbehalten hat.
Eine Klage des Stalles Zet um Daniel Redén und Bengt Ågerup auf Schadenersatz vor einem staatlichen Gericht könnte durchaus Erfolg versprechen, denn mit Ruhm bekleckert hat sich ST wahrlich nicht und steht für Viele als eigentlicher Sündenbock dieses sportlichen GAUs in der Geschichte des schwedischen, ja skandinavischen Trabersports am Pranger. Der damals mit der Sektion „Doping und unerlaubte Anwendungen“ betraute Bereichsleiter war wenige Wochen nach Bekanntwerden des Skandals entlassen worden.