Caen, Samstag, 14. Mai 2022. Eine fast schon heilige Kuh haben die Traber in Caen, der alten Hauptstadt der Normandie, vom Eis geholt: Nicht mehr an einem Mittwoch in der Mitte des Mai, sondern am Samstag feiert das Hippodrome de la Prairie den bedeutendsten Renntag des Jahres, bei dem als Höhepunkt im Prix des Ducs de Normandie der für ein Jahr amtierende trabende Graf der Normandie gekürt wird.
Wie zum Beispiel für Love You (2004, 2005), Texas Charm (2012, 2013), Roi du Lupin (2014, 2015) und Aubrion du Gers, der 2018 und 2019 regierte, gab es für Etonnant eine Verlängerung der Amtszeit – dem Stil nach in einer „unanimous decision“, also einer einstimmigen Entscheidung.
Und das, obwohl Timokos bester Nachkomme wegen eines Versehens von Richard Westerink bei der Starterangabe mit Eisen laufen musste - eine Entscheidung, die sehr zum Unwillen des in Frankreichs Südwesten beheimateten Holländers nicht mehr zu revidieren war. Er wählte die leichtest mögliche Variante Aluminium-Beschlag, „aber rundum barfuß ist er einfach eine Klasse besser“.
Das war Wasser auf die Mühlen der Wetter, die umso mehr mit ihrem Maître gingen, weil „Cleangame perfekt arbeitet, mit einem Rechtskurs keine Probleme hat, wie er gerade bei seinem Bahnrekord in Chateaubriant bewiesen hat, und endlich mal keine Zulage aufarbeiten muss“, wie ein optimistischer Jean-Michel Bazire verriet.
Vier Versuche brauchte der Hauptstarter, bis er das nach Absage Gu d’Hériprés 13 Köpfe umfassende Feld auf die 2.450 Meter weite Reise schicken konnte. Brillant gewachst hatte trotz Beschlags Etonnant, der ganz außen loslegte wie der Wind und den Anthony Barrier gegen Rebella Matters früh dort installierte, wo es der Achtjährige am liebsten mag: ganz vorn.
Nicht viel weniger zügig kam Cleangame in die Hufe und kreuzte rasch an der Flanke des Westerink-Schützlings auf. Ein erster Härtetest im ersten Bogen, doch vorbei kam der Favorit erwartungsgemäß nicht, und Bazire konnte von Glück sagen, dass Rebella Matters ebenfalls aus seinem Quartier stammt. Christophe Martens ließ mit der Norwegerin ein bisschen Platz, so dass Cleangame auf der Überseite bis weit in den Schlussbogen in Etonnants halbem Windschatten Kräfte für die finale Attacke sparen konnte.
Die allerdings hatte wenig Durchschlagskraft. Das lag nicht daran, dass Etonnant um zwei, drei Spuren nach außen wich und Cleangame unfreiwillig abblockte. Als der beste Wallach der Welt innen ansetzen wollte, kam viel weniger als gedacht. Locker hielt Etonnant mit einem weit vor der Linie jubelnden Barrier zwei Längen Vorsprung vor den Verfolgern fest, von denen sich einer als schärfste Waffe entpuppte, mit dem kaum jemand gerechnet hatte.
Ganz außen sprintete Gangster du Wallon zum Ehrenplatz vor einem Kopf an Kopf fightenden Trio, von dem Fakir du Lorault knapp besser als Elvis du Wallon und Cleangame war, für dessen schwachen Auftritt „JMB“ keine Erklärung hatte: „Ich bekam hinter Etonnant genau den Lauf, den ich haben wollte. 100 Meter vorm Ziel merkte ich, dass mein Wallach heute nichts mehr drauf hatte - für mich ein Rätsel.“
Schwacher Trost für Frankreichs Besten aller Zeiten, dass auch seine erklärte Rivalin Ampia Mede SM aus dem dritten Paar außen nichts zu melden hatte, was Franck Nivard schon vorab befürchtet hatte: „Rechtsherum - das ist nicht die Schokoladenseite der kleinen Braunen.“
Überwältigt war Richard Westerink: „Ich geh auf die Knie vor diesem Etonnant! Ich hätte nie gedacht, dass es mit Beschlag geht - und dann so leicht. Auch wenn es ein komplett anderes Rennen ist, können wir nun mit einem frischen Sieg und breiter Brust nach Solvalla fahren.“
Etonnant steckte zum 17. Mal aus 75 Engagements seine braune Nase als Erster ins Ziel und reist mit 1.361.000 Euro nach Stockholm. Hatte er im Vorjahr den Rennrekord auf 1:10,4 geschraubt, so reichten ihm diesmal 1:11,6 zum zweiten Grafen-Titel, den als letzter Nicht-Franzose 2009 der Deutsche Unforgettable erobert hat.
Prix des Ducs de Normandie (Gruppe II int., Vier- bis Zehnj.)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 150.000 Euro
1. Etonnant 11,6 Anthony Barrier 78
8j.br. Hengst von Timoko a.d. Migraine von Alligator
Be / Tr: Richard Westerink; Zü: Christian Guy Vigier
2. Gangster du Wallon 11,8 Alexis Collette 270
3. Fakir du Lorault 11,8 François Lecanu 220
4. Elvis du Vallon 11,8 David Thomain 400
5. Cleangame 11,9 Jean-Michel Bazire 16
6. Ampia Mede SM 12,1 Franck Nivard 43
7. Dollar Soyer 12,2 Eric Raffin 440
8. Cash du Rib 12,6 Jean-Loïc Claude Dersoir 730
9. Hidalgo des Noés 12,6 Gabriele Gelormini 1030
10. Rebella Matters 12,8 Christophe Martens 180
11. Digne et Droit 13,1 Pierre Rynwalt-Boulard 1460
12. Derby du Dollar 16,0 Lyllian Bullier 1700
Darshan dis.r. Clément Thomain 1510
Sieg: 78; Richter: leicht 2 - ½ - k.Kopf - ¾ - 2- 1½ Längen; 13 liefen (NS Gu d’Héripré / Abszess am Bein)
Zw-Zeiten: 13,3/950 - 13,1/1450 - 12,2/1950m
Wert: 67.500 - 37.500 - 21.000 - 12.000 - 7.500 - 3.000 - 1.500 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-05-14/1400/3
Scharte ausgewetzt
Am Freitag in Vincennes hatten die 2019 geborenen „Fahr“-Pferde nach Geschlechtern getrennt halbklassisch um 120.000 Euro für ihren großen Tag am 26. Juni geprobt. Keine 24 Stunden später gingen ihre gesattelten Kameraden „unisex“ ins Vorexamen für den am gleichen Tag stattfindenden Prix d’Essai um 200.000 Euro. Nicht wie bisher das Saint-Léger des Trotteurs, sondern der Prix de Caen war das Objekt der Begierde, in das Jaspers Turgot und Jolly Roger fast gleichauf als Meistgewettete gingen.
„Zuletzt in Vincennes sprang Jaspers, weil es durch einen Konkurrenten zu eng wurde, hatte also keine Schuld. Er ist nach wie vor gut drauf, der Rechtskurs sollte ihm keine Probleme bereiten. Ich erwarte ihn unter den ersten Vier“, hatte Trainer Franck Anne über den gewaltigen Fuchs berichtet, der sein erstes Pferd für höhere Aufgaben seit Jahren ist.
Und während Jolly Roger den Start völlig vermasselte, viele Meter verlor, diese zur Hälfte der Strecke aufgearbeitet hatte und nach einem zweiten Aussetzer - nun bereits im vorderen Mittelfeld - im Schlussbogen endgültig ausfiel, hatte David Thomain die Worte Annes verinnerlicht.
Wie der Blitz schoss Jaspers Turgot los, als wolle er jeder Unwägbarkeit aus dem Weg gehen, flitzte in Front, ließ sich vom nicht minder rasanten Jelyson noch auf der langen Startgeraden ablösen und lauerte dahinter vor Jorgos de Guez und Judy Blue Eyes still und heimlich auf seine Chance. Außen produzierte sich Jazzy du Pré vor Jackpot du Chocquel und Jewel Cash, der Mitte der Überseite ein mächtiges Fass aufmachte.
Kaum hatte er den Leader erreicht, als ihn ein Fehler mit „Ansteckungsgefahr“ aus der Bahn warf. Wenig später erwischte es Tempomacher Jelyson, was für reichlich Unruhe bei den Verfolgern sorgte. Ideal lief’s für Jaspers Turgot: Weil Jelyson nach außen wich, konnte er geradewegs nach vorn stoßen und hatte die mit Abstand meisten Reserven.
Sein dritter Sieg - alle unterm Sattel - fiel nur deshalb 4½ Längen voraus „leicht“ statt „überlegen“ aus, weil Thomain ihn auf der endlosen Zielgeraden immer mal wieder anspornen musste. Durch den Ausfall dreier chancenreicher Mitbewerber schlug dahinter die Stunde der Außenseiter. Jazzy du Pré hielt sich für den Ehrenplatz Jocdor um eine Länge vom Leib.
Mit deutlichen Abständen holten die durch die Galoppaden im Schlussbogen etwas aus dem Strich gebrachten Jackpot du Chocquel und Jorgos de Guez die Prämien vier und fünf.
Jaspers Turgot hat nun drei von fünf Ausritten gewonnen, war einmal Zweiter und bleibt bis auf Weiteres der Chef im Sattelring der Generation „J“; 187.000 Euro sind sein eigen.
Prix de Caen (Prix Pierre Gamare) - Monté - (Gruppe II nat., dreij. Hengste und Stuten)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Jaspers Turgot 14,4 David Thomain 36
3j. Fuchshengst von Koréan a.d. Beauty Charme von Password
Be / Zü: Emilien Hoste Tr: Franck Anne
2. Jazzy du Pré 14,7 Emilie Le Beller 220
3. Jocdor 14,8 Jean-Loïc Claude Dersoir 630
4. Jackpot du Choquel 15,2 Paul-Philippe Ploquin 290
5. Jorgos de Guez 15,8 Jean-Yann Ricart 84
6. Judy Blue Eyes 16,2 Mathieu Mottier 460
Jewel Cash dis.r. François Lagadeuc 43
Jelyson dis.r. Yoann Lebourgeois 340
Jab de Mye dis.r. Camille Levesque 230
Jipsy du Noyer dis.r. Alexandre Abrivard 79
Jolly Roger dis.r. Adrien Lamy 41
Sieg: 36; Richter: leicht 4½ - 1 - 3½ - 6 - 4 Längen; 11 liefen
Zw-Zeiten: 14,2/950 - 14,4/1450 - 14,0/1950m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 (- 1.200) Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-05-14/1400/2
Die Favoriten um eine Nasenspitze gekippt
Eine deftige Überraschung vor allem auch nach dem Rennverlauf hielt der Prix Henri Ballière der vierjährigen Satteltraber parat, in dem es vorab und unterwegs nach dem nächsten Duell zwischen Ici C’est Paris und Idéale du Chêne aussah.
Nach 300 Metern hatte Claude Guedjs Braune Ilga de l’Ormerie den Taktstock entwunden, in ihrem Fahrwasser parkte Ici C’est Paris ein - und ab ging die wilde Jagd als Marsch der acht Gänse (Ikacou des Cinty war unmittelbar vor dem Start wegen Lahmheit zurückgezogen worden).
Erstes Raunen auf der vollbesetzten Tribüne, als sich Florian Desmigneux an letzter Position ein Herz fasste und Inès des Rioults trotz des kernigen Tempos im Rush nach vorn an die Flanke Idéale du Chênes schickte, was Ici C’est Paris nur recht sein konnte. Dieses Terzett setzte sich ausgangs der letzten Biege sehr deutlich ab. Wenig später schien Inès ein wenig die Luft auszugehen - wenig verwunderlich nach dem gewaltigen Überfall.
Ici C’est Paris konnte nun voll zum Glück des zwölften Sieges durchstoßen, doch kam von Philippe Allaires Protegée verblüffend wenig, der schwerfällig nur Platz drei festhalten konnte. So sah alles nach Treffer Nummer sechs für die Bird-Parker-Tochter aus, bis Florian Desmigneux 50 Meter vor der Linie irgendwo den Reserveknopf bei Inès des Rioults fand.
Die Carat-Williams-Tochter nahm gewaltig Fahrt auf und nagelte, wie erst die Vergrößerung das Zielfotos deutlich machte, für 18,5-fache Sieg-Odds Idéale du Chêne genau auf der Linie um Millimeter fest.
Selbst Trainer Jean-François Senet, der dieses Rennen als Jockey 2001 mit Jerka de Janeiro gewonnen hat, hatte keine wirkliche Erklärung für die Leistungsexplosion seiner Stute, deren letzte fünf Auftritte keinen noch so kleinen Fingerzeig gegeben hatten. Für die war’s der dritte Treffer „lifetime“ und erste auf diesem Niveau, mit dem sie nun 170.390 Euro reich ist.
Prix Henri Ballière - Monté - (Gruppe II nat., vierj. Hengste und Stuten)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Inès des Rioults 13,0 Florian Desmigneux 185
4j. Fuchsstute von Carat Williams a.d. Nelly des Rioults von Viking’s Way
Be: Ecurie Karibou; Zü: S.C.E.A. Haras des Rioults; Tr: Jean-François Senet
2. Idéale du Chêne 13,0 Paul-Philippe Ploquin 28
3. Ici C’est Paris 13,2 David Thomain 21
4. Illusion Jipad 13,4 Yoann Lebourgeois 73
5. Inouï Danica 13,7 François Lagadeuc 210
6. Isco de Corday 14,2 Alexandre Abrivard 100
7. Ilona des Moyeux 14,7 Thibaut Dromigny 670
8. Ilga de l’Ormerie 16,4 Christopher Corbineau 420
Sieg: 185; Richter: Kampf k.Kopf - 2 - 2½ - 3½ - 5 Längen; 8 liefen (NS Ikacou des Cinty/lahm)
Zw-Zeiten: 13,8/950 - 13,5/1450 - 12,6/1950m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-05-14/1400/8
Idao contra Izoard: 3:1
„Nur“ 80.000 Euro gab’s im internationalen Prix Guillaume le Conquerant der Kategorie III. Zum Gipfeltreffen der Vierjährigen kreuzten die beiden Siegmaschinen Idao de Tillard (14 Starts, 11 Siege; 415.130 Euro; 18:10) und Izoard Védaquais (16 Starts, 13 Siege; 464.600 Euro; 25:10) zum vierten Mal die Klingen.
Wie beim letzten Rencontre behielt Clément Duvaldestin mit dem von seinem Vater vorbereiteten Sévérino-Sohn knapp die Oberhand in einem ereignislos verbummelten Match, bei dem am rasanten Schluss genau jene die besten vier Plätze belegten, die unterwegs in vorderster Linie zu finden waren.
Nur kurz vermochte sich Ivensong der Spitzenposition zu erfreuen. Als Idao de Tillard nach 250 Meter angestiefelt kam, trat sie sie bereitwillig ab, und weil sich Izoard Védaquais zeitig des Todessitzes bemächtigte, durften die beiden Gemeinten fortan ungestört im 1:17er und 1:15er Tempo die erste Halbzeit erledigen. Natürlich muss man die vermeintlich Schwachen sicherheitshalber loswerden, will man vor bösen Überraschungen gefeit sein.
Das wussten auch Duvaldestin und Raffin, die für die finalen 700 Meter das Tempo auf unter 1:10 anzogen. Mitte des Einlaufs witterten die Anhänger Idéal Ligneries‘, der hinter Izoard Védaquais den perfekten Verlauf hatte, kurz Morgenluft, doch dann war das Gas des Souloy-Schützlings auch schon verbraucht, was einen der ersten beiden Plätze betraf.
Die machten die beiden Granden unter sich aus, wobei Izoard Védaquais erst auf den letzten Metern ernstlich Terrain wettmachen, den Spieß aber nicht mehr umdrehen konnte. Nach 1:12,8/2450m, die für Beide ins Fahrtenbuch notiert wurden, erhöhte Idao de Tillard im Privatduell auf 3:1 gegen Izoard, der nur bis auf eine halbe Länge herankam.
Zwei Längen zurück sicherte Idéal Ligneries Platz drei vor Instinct d’Am, der durchweg innerer Dritter war, sowie dessen Schatten Iron Meslois.
Prix Guillaume le Conquerant (Gruppe III int., Vierjährige)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Idao de Tillard 12,8 Clément Duvaldestin 18
4j.br. Hengst von Séverino a.d. América de Tillard von First de Retz
Be : Cyriel Sevestre; Zü: Ecurie Chaunion; Tr: Thierry Duvaldestin
2. Izoard Védaquais 12,8 Eric Raffin 25
3. Idéal Ligneries 13,0 François Lagadeuc 270
4. Instinct d‘Am 13,0 Gabriele Gelormini 300
5. Iron Meslois 13,2 Pierre Belloche 200
6. Impressionist 13,2 Louis Baudron 1000
7. Inoubliable 13,3 Jean-Philippe Dubois 340
8. Iriane 13,5 Tony Le Beller 470
9. Calypso di Poggio 13,5 Adrien Lamy 480
10. Ivensong 13,7 David Thomain 320
Inmarosa dis.r. Léo Abrivard 360
Sieg: 18; Richter: Kampf ½ - 2½ - ½ - 2½ Längen; 11 liefen (NS Invincible Cash)
Zw-Zeiten: 17,1/950 - 15,4/1450 - 13,9/1950m
Wert: 36.000 - 20.000 - 11.200 - 6.400 - 4.000 - 1.600 - 800 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-05-14/1400/7