Neapel, Sonntag, 3. Oktober 2021. Endlich! Im dritten Anlauf eroberte Face Time Bourbon, nach Ansicht so gut wie aller Fachleute das aktuell beste Trabrennpferd der Welt, Italien, nachdem er zweimal, 2019 und 2020, jeweils an Zacon Gio gescheitert war. Holger Ehlerts Paradepferd, als Titelverteidiger zur 72. Auflage des Gran Premio della Lotteria zum Ippodromo Agnano in Sichtweite des Vesuv gereist, unterstrich die für seine Verhältnisse bescheidenen aktuellen Auftritte und kam nach einem Ehrenplatz im Vor- im Endlauf nicht über Platz fünf hinaus.
Nach den Qualifiern sah es allerdings auch für „FTB“ nicht unbedingt danach aus, als würde er den Bock endlich umstoßen, was sein in Neapel ansässiger „Hauptbesitzer“ Antonio Somma als Herzensangelegenheit ausgegeben hatte. Anders als 2020, als er den Vorlauf gewann und sich im Finale an Zacon Gio die Zähne ausbiss, lief es diesmal: In seiner Batteria B, die ein bestens aufgelegter Alrajah One vorneweg in neuer Bahnrekordzeit von 1:10,3 auf seine Kappe brachte, scheiterte er wegen des permanenten äußeren Gegenwinds knapp um einen „Hals“. Wobei man durchaus den Eindruck gewinnen konnte, dass ihn Eric Raffin nicht auf Biegen oder Brechen forderte, obwohl ein Sieg ihm im Finale einen besseren Startplatz beschert hätte.
Wenn Frankreichs Champion gerechnet hatte, dass er dort mit „FTB“ als nicht allzu rasantem Beginner ohnehin nie die Spitze bekommen würde, hatte der 39-jährige zweifellos goldrichtig gepokert - doch einfach war’s gegen die Gocciadoro-Bande sowieso nicht. Außer dem Braunen mit den scheinbar zwei Lungen und Herzen in seiner Brust kamen nur noch Zacon Gio und Drôle de Jet nicht aus dem Quartier des auch heuer unerhört dominanten Alessandro Gocciadoro, dessen Rösser alle Eliminationen gewonnen hatten.
Gab es tatsächlich ein Mannschaftsfahren gegen den trotz der Vorlauf-Niederlage nur für 15:10 gehandelten Franzosen? Zum Zünglein an der Waage konnte Vivid Wise As werden, der wie „FTB“ die grün-gelben Farben der Scuderia Bivans vertrat. Wie würde, wie müsste sich Matthieu Abrivard entscheiden - fürs Team Gocciadoro oder für den Stallgefährten fahren? Wenn es überhaupt Planspiele in dieser Hinsicht gab, fielen sie eindeutig in Richtung Face Time Bourbon aus.
Ohnehin bekam die Maxime „Die Gocciadoros gegen den Rest der europäischen Traberwelt“ unmittelbar nach dem „Ab“, das der diesmal mit Santo Mollo liierte Alrajah One von der „1“ am rasantesten hinbekam, einen gehörigen Knacks, denn Vernissage Grif, für den sich der „Mann in Gelb“ entschieden hatte, genehmigte sich - bei ihm nicht eben ungewöhnlich - an der „2“ eine Galoppade. Nach sieben Sprüngen war der Fuchs wieder im Lot, doch die erhoffte gute Ausgangslage war perdü.
Global Trustworthy (5), der außen zunächst die Nase in den Wind steckte, rettete sich im ersten Bogen hinter Vitruvio, den Andrea Guzzinati als einzigen Starter der zweiten Reihe perfekt im Windschatten Alrajah Ones verstaut hatte, an die Innenkante, so dass fortan Vivid Wise As (3) den äußeren Leader mimte und für Face Time Bourbon (4) eine perfekte Lokomotive abgab. Erst dann folgte Vernissage Grif mit Zacon Gio (6) im Nacken, den Roberto Vecchione nach einer Runde erstmals anfassen musste.
Mitte der Schlusskurve trat der Champion an - und wie! Ruckzuck war Stallkamerad Vivid Wise As umkurvt, zugleich Vernissage Grif abgeschüttelt, und dann nahm er sich Alrajah One zur Brust. So zäh sich Italiens 2019er Derby-Sieger gegen die drohende Neiderlage stemmte, war gegen diesen „FTB“ nichts zu löten. 50 Meter vorm Ziel - da war der von Rainer Engelke gezüchtete Hengst gerade so um eine Nasenspitze vorbei - ließ Raffin die Peitsche hoch erhoben kreiseln, grüßte wenig später ins Publikum und machte „den einfachen Ingves“ - rechtes Bein aus dem Bügel und hoch damit.
Ein letzter, freundschaftlicher Klaps auf den Allerwertesten des Sechsjährigen, und drin war der 276.000 Euro fette Fisch, der sein Konto auf 3.332.600 Euro hievte. Mit 1:10,2 verbesserte der nunmehr 17-fache Gruppe-I-Sieger Timone EKs (2017) und Zacon Gios (2020) Rennrekord um 0,3 Sekunden und rasierte vom gerade mal 1½ Stunden alten Bahnrekord Vernissage Grifs eine Zehntelsekunde weg. Der musste sich hinter Vitruvio, dem die Ausflüge ins Monté-Gewerbe ersichtlich neuen Mumm verliehen haben und der streng innen bestens aufgehoben war, mit Platz vier vor Zacon Gio bescheiden, der sich dank seiner Kampfkraft fürs kleinste Geld Drôle de Jet vom Leib hielt.
72. Gran Premio della Lotteria - Finale - (Gruppe I int., Vier- bis Zwölfj., UET-Masters-Serie, Grand Slam)
1600m Autostart, 660.000 Euro
1. Face Time Bourbon 10,2 Eric Raffin 15**
6j.dklbr. Hengst von Ready Cash a.d. Vita Bourbon von Love You
Be: Scud. Bivans Srl, IT (Antonio Somma); Zü: SARL Haras Saint Martin (Rainer Engelke); Tr: Sébastien Guarato
2. Alrajah One* 10,4 Santo Mollo 83
3. Vitruvio 10,8 Andrea Guzzinati 178***
4. Vernissage Grif* 10,9 Alessandro Gocciadoro 28
5. Zacon Gio 11,2 Roberto Vecchione 101
6. Drôle de Jet 11,4 Pierre Vercruysse 351
7. Vivid Wise As* 11,6 Matthieu Abrivard 15**
8. Global Trustworthy 12,3 Federico Esposito 178***
Bubble Effe dis.r. Marco Stefani 178***
*Vorlaufsieger; **Stallwette I; ***Stallwette II
Sieg: 15; Richter: sicher 1 - 2½ - 1¼ - 1½ - 1½ - 1 Länge; 9 liefen
Zw-Zeit: 10,4/1000m
Wert: 276.000 - 132.000 - 72.000 - 36.000 - 24.000 sowie 120.000 Euro Züchterprämien
Video: https://www.youtube.com/watch?v=3-j8yp8J27w
Die Vorläufe
Voll auf ging Gocciadoros Schlachtplan in Batteria A, zu der Verdon WF und Arnas Cam nicht antraten und er deshalb mit dem erst vor wenigen Wochen von Peter Untersteiner zu ihm gewechselten Generaal Bianco (6) um zwei Startpositionen nach unten rutschte. Das reichte, Zacon Gio (3) mit viel Pep nach 300 Metern aus dem Kommando zu jagen und dann auf Vivid Wise As (7) zu warten. Matthieu Abrivard fackelte mit dem Distanzspezialisten nicht lange, war nach 500 Metern vorn, verbannte dadurch Drôle de Jet auf den Todessitz und drosselte die Fahrt enorm.
Echten Männersport gab‘s erst wieder auf den finalen 300 Metern, als sich der Yankee-Glide-Sohn locker absetzte und zur Freude der ein Höllenspektakel veranstaltenden Neapolitanos den gut getimten Endspurt Zacon Gios, mit dem sich Roberto Vecchione erst aus der vertrackten Innenlage wurschteln musste, viel leichter ins Leere laufen ließ, als der Vorsprung von einer Länge hergeben mag. Weit zurück raufte sich Drôle de Jet zum dritten Finalplatz, weil vom Rest gar nichts mehr kam.
Vorläufe - 1600m Autostart, 25.300 Euro
Wert: 10.580 - 5.060 - 2.760 - 1.380 - 920 und 4.600 Euro Züchterprämien
Den Endlauf erreichen die besten Drei.
Batteria A
1. Vivid Wise As 12,1 Matthieu Abrivard 16
7j.br. Hengst von Yankee Glide a.d. Temple Blue Chip von Cantab Hall
Be / Zü: Scud. Bivans; Tr: Alessandro Gocciadoro
2. Zacon Gio 12,1 Roberto Vecchione 26
3. Drôle de Jet 12,6 Pierre Vercruysse 91
4. Trillo Park 13,3 Antonio Velotti 382
5. Generaal Bianco 14,4 Alessandro Gocciadoro 67
Usain Töll dis.r. Vincenzo Gallo 573
Zw-Zeit: 12,9/1000m
Sieg: 16; Richter: leicht 1 - 3½ - 5½ - 7 Längen; 6 liefen (NS Verdon WF, Arnas Cam)
Weil’s so gut geklappt hatte, wendete Gocciadoro das gleiche Rezept in Batteria B an. Andrea Guzzinati scheuchte Vitruvio von der „6“ wuchtig an Alrajah One und Antony Leone vorbei ans Regiepult und wartete auf den „Chef“. Der war zügig da, löste ausgangs der ersten Kurve den „Architekten“ ab und hatte damit Face Time Bourbon dort, wo er ihn haben wollte: in der Todesspur.
Aus dem Schlussbogen beschleunigte der Maharajah-Sohn und holte den entscheidenden Vorteil gegen den Favoriten heraus, der zwar bis auf Haupteslänge herankam, doch von Raffin nicht bis aufs letzte Korn ausgestaubt wurde. Platz drei hielt Vitruvio eisern gegen Riesenaußenseiterin Zeudi AMG fest, womit Italiens Trainerchampion aus diesem Vorlauf zwei Anwärter ins Finale brachte.
Batteria B
1. Alrajah One 10,3 Alessandro Gocciadoro 28
5j.br. Hengst von Maharajah a.d. Mariu‘ von Varenne
Be: Scud. My Horse Srl; Zü: Sara Bacchi & Luca Crosetti; Tr: Alessandro Gocciadoro
2. Face Time Bourbon 10,4 Eric Raffin 12
3. Vitruvio 10,6 Andrea Guzzinati 149
4. Zeudi AMG 10,8 Lucio Becchetti 511
5. Antony Leone 11,4 Gaetano di Nardo 396
6. Toscarella 11,6 Roberto Vecchione 528
7. Great King Wine 11,7 Vincenzo Gallo 689
Zw-Zeit: 11,1/1000m
Sieg: 28; Richter: sicher Kopf - 1½ - 1¼ - 5 Längen; 7 liefen (NS Chief Orlando)
Sogar deren drei waren es aus Batteria C, in der er sich trotz der überaus günstigen „2“ mit Vernissage Grif aus dem anfänglichen Gemetzel dezent zurückhielt und zusah, wie die ebenfalls von ihm trainierten Global Trustworthy (5) und Bubble Effe (4) die Führung unter sich ausfochten - mit dem besseren Ende für den Schweden-Import. Hinter den beiden Vertretern der Scuderia Pink & Black wollte Santo Mollo mit Cokstile nicht liegen bleiben und dirigierte den gebürtigen Norweger vor Vernissage Grif in Spur zwei. Wenn er gehofft hatte, Gocciadoro würde für ihn den Schlepper spielen, hatte er sich gründlich geschnitten.
Der 46-jährige zog mit dem Dunkelfuchs im zweiten Bogen in Front und stellte Cokstile in den äußeren Fahrtwind, was dem vorjährigen Elitloppet-Sieger den Final-Zahn zog. Vernissage Grif war rasch auf der sicheren Seite, unerwartet teuer verkauften sich auf dem schonendsten Weg Global Trustworthy und Bubble Effe - da blieb Cokstile nur Platz vier und die Hoffnung, es im Trostlauf günstiger anzutreffen; zu dem trat er jedoch nicht an.
Batteria C
1. Vernissage Grif 10,7 Alessandro Gocciadoro 14
7j. Fuchshengst von Varenne a.d. Dalia Grif von Park Avenue Joe
Be: Gennaro Riccio; Zü: All. Il Grifone; Tr: Alessandro Gocciadoro
2. Global Trustworthy 10,9 Federico Esposito 88*
3. Bubble Effe 11,3 Marco Stefani 88*
4. Cokstile 11,5 Santo Mollo 27
5. Fric du Chêne 11,5 Gabriele Gelormini 95
6. Adamo Dipa 11,7 Roberto Vecchione 449
7. Zadig del Ronco 12,0 Gaspare Lo Verde 883
8. Zeppelin Kyu Bar 12,1 Salvatore Cintura jr 1124
*Stallwette
Zw-Zeit: 11,2/1000m
Sieg: 14; Richter: Kampf k.Kopf - 4 - 1½ - 2 - 1 Länge; 8 liefen
Zum Trost 33.000 Euro
Den ausgezeichneten Eindruck aus dem 2. Vorlauf, den sie unter Rekordverbesserung als Vierte beendet hatte, unterstrich Zeudi AMG in der wie im Vorjahr mit 33.000 Euro ausstaffierten Consolazione. Zügiger als die Ideale-Luis-Tochter von der „1“ kam nur Gocciadoro mit Generaal Bianco (5) in die Hufe, trat das Kommando aber rasch an Lucio Becchettis Stute ab, die sich das erste Mal überhaupt auf Gruppe-Ebene gewagt hatte. Dem Umsturzversuch des holländischen Generals erteilte sie um 1½ Längen eine deutliche Absage und strich nach 1:12,7 zu 1:12,9 für den 21. Treffer aus 42 Versuchen mit 13.800 Euro den höchsten Scheck ihrer Laufbahn ein.