Vincennes, Sonntag, 22. Dezember 2024. Wenig Erbarmen kannte der Wettergott am vierten Advent mit der noblen Gesellschaft im Bois de Vincennes: Bei 7 Grad, leichtem Regen und entsprechend matschigen Bedingungen fochten die Vier- und Fünfjährigen wie seit 2004 im Critérium Continental bzw. Prix Ténor de Baune je einen Startplatz für den Prix d’Amérique aus.
Keep Going mit dem Mottier-Schwung
Sein Name scheint Programm zu werden. Mit dem ziemlich unerwarteten Sieg im Critérium des 4 Ans, der ihm allein 135.000 Euro eintrug, hatte sich Keep Going in die Spitzengruppe seines französischen Jahrgangs katapultiert - und zugleich, wie sich bei der Starterangabe zum mit 18 Aspiranten bis zum Anschlag bestückten Critérium Continental herausstellen sollte, gerade so in die erste Reihe hinterm Auto.
Pures Glück danach, dass der von Jean-Philippe Dubois gezüchtete Hengst die exzellente „3“ zugelost bekam, die sein seit Wochen auf Wolke sieben fahrender Steuermann Mathieu Mottier weidlich nutzte.
Während sich seine Trainingsgefährtin Kokote (13) wie Katinka du Mouchel (12) und Karlito (15) zeitig im Galopp aus dem Match stahl, eröffnete Kilmister, der US-Amerikaner in Diensten des Stalles Courant, von der „8“ mit fliegenden Fahnen und setzte sich vor der längst nicht mehr unangefochtenen Nummer eins der Gastgeber Koctel du Dain (1) und Kyrielle (10) im Sauseschritt an die Spitze.
Gleich vorne mittenmang war Keep Going vor Ninetta Boko (6) und East Asia (2), und in dritter Spur vergnügte sich Eric Raffin mit Alessandro Gocciadoros zweiter Waffe Executiv EK. Wohl beraten war Gabriele Gelormini, Mitte des Bogens von Joinville, wo Ninetta Boko aus dem Takt geriet, die Spitze an Keep Going abzutreten, womit kurzfristig Executiv EK und ab Mitte des Anstiegs Crown (5) der äußere Fahrtwind um die Nase wehte.
Dahinter lagen East Asia, der im Schlussbogen ausfallende Kristal Josselyn (11), Global Etalon (14) sowie die mit der „9“ gestrafte Kana de Beylev auf der Lauer. 800 Meter vorm Pfosten machte über Spur drei der Gocciadoro-Express mit Executiv EK vor East Asia und der von hinten aufrückenden Kana de Beylev mobil, wodurch Koctel du Dain in Spur zwei wechseln konnte.
Dort hatte der 963.550 Euro schwere Klotz 300 Meter vorm Ziel allen Platz der Welt, doch zeigte sich einmal mehr, dass Philippe Allaires Schützling immer stärker an den knüppelharten Schlachten der frühen Jahre zu knabbern hat. Nichts kam mehr vom Boccador-de-Simm-Sohn, der mit Rang acht gar das kleinste Hafergeld verfehlte, das dem zu Beginn der Zielgeraden erschöpften Executiv EK zufiel.
Dort ging konträr dazu die Post erst richtig ab zwischen den beiden Favoriten: So sehr sich East Asia aus dem Imperium von LeTrot-Präsident Jean-Pierre Barjon, die Gocciadoro von einer springenden „Sauline“ im Laufe dieser Saison zur wie bis Mitte 2023 perfekt funktionierenden „Pauline“ zurück verwandelt hat, ins Zeug legte, hatte Keep Going durchweg die um ein Fitzelchen bessere Antwort parat.
Beim neunten Treffer aus 32 Versuchen, der ihn auf 483.620 Euro hievte, hielt der Follow-You-Nachkomme die Italienerin um eine halbe Länge in Schach. 3½ Längen später musste der Zielrichter die Foto-Technik zu Rate ziehen, um Crown Platz drei gegen den aus dem Nirgendwo explosiv auf Touren kommenden Ksar zusprechen zu können.
Eine Länge war es dann zu der zuverlässig wie immer abliefernden Kana de Beylev, die sich den Schweden Global Etalon knapp vom Leib hielt. Kilmister, der zweijährig als Big Point das renommierte Peter Haughton Memorial gewonnen hat, setzte seine blutleeren schwedischen Vorstellungen als Neunter nahtlos fort.
Für den 32-jährigen Mottier, der vor elf Jahren mit diesem Critérium Continental dank der familieneigenen Victoire sein erstes Gruppe-I-Rennen überhaupt gewonnen hat, war dieser Sieg das bisherige Herzstück eines unglaublichen Winter-Meetings.
„Das war noch mal ein Schuss mehr an Adrenalin und Emotionen. Schon der Sommer verlief überragend. Unvorstellbar, dass es im Winter noch besser flutscht. Ich würde, sofern sich Keep Going gut erholt, mit ihm gern am ‚Amérique‘ teilnehmen, wobei ich ihm in der momentanen Form durchaus zutraue, eine ordentliche Rolle zu spielen. Aber das muss ich erst noch mit dem Besitzer absprechen.“
José Davet hielt diesbezüglich den Ball vorerst flach: „Ich will erst mal diesen beeindruckenden Erfolg genießen, der meine Glücksgefühle ums Zehnfache gesteigert hat. Keep Going hat das gegen ausländische Pferde, dessen Kapazitäten wir nicht wirklich reell einschätzen konnten, brillant gelöst. Es ist ein Traum für jeden Besitzer, am ‚Amérique‘ teilzunehmen, aber wir sollten auch ans Pferd denken, dessen Prioritäten im Vordergrund stehen.“
Für Jushua Tree, der um eine Zehntelsekunde als Rennrekordler entthront wurde, hatten Jean-Michel Bazire und die Ecurie Olmenhof im Vorjahr das Rennen der Rennen sausen lassen und sich lieber den einen Tag zuvor entschiedenen Prix Bold Eagle um auch nicht zu verachtende 300.000 Euro einverleibt. Ein Szenario, das auch für Keep Going im Raum steht.
Nur ein klitzekleines Haar in der Suppe fand Björn Goop: „Der Sieger war überragend, aber auch East Asia hat sich prächtig geschlagen. Schade, dass meine Stute die letzte Biege etwas schwerfällig bewältigt hat. Das kleine Manko hat sie rasch ausgebügelt. Wir haben zwei sehr gute Pferde im Kampf gesehen. Ich hab’s genossen, sie zu fahren.“
Daniel Redén: „Crown hat sich außen herum teils ohne Deckung fantastisch verkauft. Wenn’s taktisch etwas besser gelaufen wäre, wäre er vielleicht weiter vorn gewesen, aber auch so bin ich - vor allem auch in Anbetracht des Bodens und der Zeit - überaus zufrieden. Da er Amerikaner ist, stehen ihm in diesem Meeting nur wenige Prüfungen offen, darum brechen wir seine Zelte nun ab, und er geht zurück nach Hause. Er hat viel gelernt und wird vermutlich nächstes Jahr wiederkommen.“
Trainer Emmanuel Varin: „Dass es mit der ‚16‘ schwierig werden würde, war von vornherein klar, und auch der Parcours war nicht so seiner, aber eines Tages wird Ksar das besser wegstecken. Ab der letzten Kurve war er furios und hat etliche Plätze wettgemacht. Das ist ermutigend - es geht stramm Richtung Prix Bold Eagle.“
Critérium Continental (Gruppe I int., vierj. Hengste und Stuten)
2100 Meter Autostart, 240.000 Euro
1. Keep Going 09,7* Mathieu Mottier 38
4j.br. Hengst von Follow You a.d. Discovery Bond von Royal Dream
Be: José Davet; Zü: Jean-Philippe Dubois; Tr: Mathieu Mottier
2. East Asia 09,7* Björn Goop 58
3. Crown 10,0 François Lagadeuc 170
4. Ksar 10,0 Matthieu Abrivard 130
5. Kana de Beylev 10,1 Benjamin Rochard 110
6. Global Etalon 10,2 Magnus Djuse 720
7. Executiv EK 10,3 Eric Raffin 89
8. Koctel du Dain 10,3 David Thomain 97
9. Kilmister 10,4 Gabriele Gelormini 790
10. Edy Girifalco Gio 10,6 Santo Mollo 940
11. Kyrielle 11,1 William Bigeon 1560
12. Keenan de Joudes 11,6 Jean-Philippe Monclin 270
13. Khal’s Fella 13,3 Paul-Philippe Ploquin 110
Karlito dis.r. Yoann Lebourgeois 290
Kokote dis.r. Alexandre Abrivard 210
Katinka du Mochel dis.r. Clément Duvaldestin 780
Kristal Josselyn dis.r. Anthony Barrier 600
Ninetta Boko dis.r. Jean-Michel Bazire 230
*Rennrekord und Bahnrekord für Vierjährige von Jushua Tree (2023) um 0,1 Sekunde verbessert,
Sieg: 38; Richter: sicher ½ - 3½ - k.Kopf - 1 - ½ - 1¼ - k.Kopf - 1¼ Längen; 18 liefen
Zw-Zeiten: 05,4/600m - 08,3/1100m - 09,6/1600m
Wert: 108.000 - 60.000 - 33.600 - 19.200 - 12.000 - 4.800 - 2.400 Euro
Zielrennen gewonnen
Jushua Tree am Montag nach der Arbeit in Grosbois lahm - für den Crack Jean-Mchel Bazires ist das Winter-Meeting damit bereits beendet. Die überraschende Amérique-Dritte 2024 Joviality verschnupft, wie sich beim tierärztlichen Check am Sonntagnachmittag herausstellte, ebenso im Vorfeld gestrichen wie Josh Power, dem Sébastien Ernault einen Start nur 14 Tage nach dem Triumph im Prix du Bourbonnais ersparen wollte und ihn erst eine Woche später im Prix de Bourgogne wieder anspannt.
Und da auch Dimitri Ferm indisponiert war, fehlten dem Prix Ténor de Baune, in dem der Nachfolger solcher Cracks wie Idao de Tillard, Horsy Dream und Galius gesucht wurde, die großen Vier. Er wurde damit zum etwas undurchsichtigen Rätselraten.
Nur acht Tage nach seinem lockeren Parademarsch durch den Prix Oscar Collard der Gruppe III wurde Working Class Hero wieder angespannt. Gemeinsam mit dem Schweden bildeten Jean-Rémi Delliaux‘ vierfacher halbklassischer Sieger Justin Bold sowie Just Love You das in der Gunst der Wetter ziemlich dicht beieinander liegende Favoriten-Trio, wobei die Fuchsstute aus dem Hause Abrivard das größte Fragezeichen mit sich schleppte.
Würde Alex Abrivard mit der als Vierte im Prix de Bretagne bereits für den „Amérique“ qualifizierten Love-You-Tochter aufs Ganze gehen? Im Vorfeld hatte er betont, dies sei ohnehin das Zielrennen des Winters. Da auch die Aufmachung stimmte - erstmals seit Rang drei im Critérium des 5 Ans wurde sie wieder rundum barfuß eingesetzt -, schenkte ihr die Mehrzahl der „turfists“ das Vertrauen und lag damit goldrichtig.
Abrivard war zeitig bei der vorderen Musik, bei der erst Jakartas des Prés und auf der Tribünengeraden Working Calss Hero den nicht allzu flotten Ton angaben. Nach 800 Metern trat Mottier, der Mann, der seit Wochen (fast) alles richtig macht, das Kommando an Just Love You ab und war damit ausgezeichnet beraten.
Pierre-Yves Verva wusste sofort, was die Stunde geschlagen hatte, und schickte Justin Bold über die dritte Linie für den Anstieg an die Flanke der Füchsin mit der markanten Blesse, hatte bei diesem Zwischenspurt jedoch reichlich Pulver verschossen, wie eingangs der Zielgeraden offenbar wurde.
Während Just Love You für den elften Sieg aus 34 Engagements immer prominenter wurde, sich zwei Längen vor dem erstmals auf diesem Niveau angetretenen Working Class Hero aus dem nassen Staub machte und für die ganz Reichen sozusagen einen Platz im ‚Amérique‘ freisperrte, hatte Justin Bold weitere drei Längen zurück alle Hufe voll zu tun, die sich von ganz hinten schwungvoll ins Zeug legenden Jazzman Debailleul und Juninho Dry für „Bronze“ abzuwimmeln.
Gar nichts mehr im Angebot hatte der mit einem Ehrenplatz im Prix de Chenonceaux prima in den Pariser Winter gestartete Bengan aus Daniel Redéns Lot trotz einer über weite Strecken verdeckten Reise.
Tief durchatmen hieß es bei Alex Abrivard: „Seit Anfang der Woche hat sich bei mir alles nur um dieses Rennen gedreht. Ein versöhnliches Ende eines Jahres, das für mich mit dem LKW-Unfall am 13. Januar bei der Anfahrt nach Vincennes, bei dem Just Love You zum Glück unverletzt geblieben war, als Horror begonnen hat."
"Sie hat heute die Abwesenheit von Jushua Tree und Josh Power genutzt und ganz leicht gewonnen; es war fast nur eine Formalität. Sie liebt es, vorneweg zu marschieren, was in den schweren Matches auf höchstem Niveau nie einfach zu bewerkstelligen ist. Als sie aus dem letzten Bogen beschleunigte und niemand ernsthaft dranbleiben konnte, wusste ich, dass der Sack zugebunden war.“
Sein Vater Laurent-Claude ergänzte: „Die Stute ist im richtigen Moment in Top-Form und lässt uns den katastrophalen 13. Januar vergessen. Zwischenzeitlich hatte ich meine Zweifel, ob sie das alte Niveau wieder erreichen würde und gedacht, ich hätte sie zu früh ins Training genommen."
"Wie sich später herausstellte, hatte sich unter einem Muskel ein Hämatom gebildet, das Probleme bereitete, wie unser Osteopath feststellte. Glücklicherweise hat sich alles bestens gelöst. Sie wird ohne große Ambitionen im Prix de Belgique präsent sein und dann ihr Glück im ‚Amérique‘ versuchen. Bislang sind wir auf dem richtigen Weg.“
Tausendsassa Mathieu Mottier hatte am Ehrenplatz nichts auszusetzen: „Working Class Hero hat diese Herausforderung auf oberstem Level brillant gemeistert nach einem Rennen, das ganz nach seinem Geschmack war. Der Hengst ist ein feines Pferd, sehr gut zu handhaben. Just Love You war zu stark, doch mit dem Ehrenplatz kann das Team hochzufrieden sein.“
Pierre-Yves Verva: „Justin Bold ist erstmals vorne barfuß angetreten, und das hat ihm zu Beginn zu schaffen gemacht. Es brauchte rund 200 Meter, bis er sein Gleichgewicht gefunden hatte und richtig lag - da haben wir die entscheidenden Längen verloren. Und dann gab’s unterwegs noch ein paar kleine knifflige Situationen. Unter diesen Umständen hat er sich als Dritter sehr gut verkauft.“
Prix Ténor de Baune (Gruppe II int., fünfj. Hengste und Stuten)
2700 Meter Bänderstart o.Z.; 240.000 Euro
1. Just Love You 12,1 Alexandre Abrivard 31
5j. Fuchsstute von Love You a.d. Just in Love von Ever Jet
Be / Zü: Michèle Bliard; Tr: Laurent-Claude Abrivard
2. Working Class Hero 12,2 Mathieu Mottier 52
3. Justin Bold 12,4 Pierre-Yves Verva 32
4. Jazzman Debailleul 12,5 Franck Ouvrie 110
5. Juninho Dry 12,6 Paul-Philippe Ploquin 910
6. Jakartas des Prés 12,6 David Thomain 1390
7. Die Hard 12,7 Charley Heslouin 1730
8. Jewelcandle Fac 13,0 Damien Bonne 230
9. Bengan 13,2 François Lagadeuc 120
10. Jango Vici 13,6 Benjamin Rochard 150
11. Jour de Fête 19,1g Tristan Ouvrie 1110
Jack Tonic dis.r. Théo Duvaldestin 160
Sieg: 31; Richter: leicht 2 - 3 - 1 - 1½ - k.Kopf - 1½ - 3 - 2½ Längen; 12 liefen (NS Joumba de Guez / Muskel-Entzündung)
Zw-Zeiten: 12,8/1200m - 12,8/1700m - 12,4/2200m
Wert: 108.000 - 60.000 - 33.600 - 19.200 - 12.000 - 4.800 - 2.400 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-12-22/7500/6
Qualifiziert für den Prix d’Amérique 2025:
Hussard du Landret – San Moteur – Hooker Berry – Just Love You (Prix de Bretagne)
Josh Power – Emeraude de Bais – Hokkaido Jiel – Fakir de Mahey (Prix du Bourbonnais)
Keep Going (Critérium Continental, Vierjährige)
(Just Love You Prix / Ténor de Baune, Fünfjährige)
Nächste Qualifikations-Möglichkeiten:
29. Dezember 2024 Prix de Bourgogne
12. Januar 2025 Prix de Belgique