Vincennes, Samstag, 26. März 2022. Auch wenn es „nur“ um 90 Mille ging, hielt der Temple du Trot am zweiten Tag des Frühjahrsmeetings ein exquisites Appetithäppchen bereit: Im Prix du Bois de Vincennes für die älteren Internationalen sagten nicht nur Bilooka du Boscail und Bahia Quesnot mit ihrem 147. bzw. 127. Auftritt „Adieu“ - am 31. März fällt für den Jahrgang 2011 endgültig der Vorhang -, sondern forderte Ampia Mede SM, die Aufsteigerin des Frühwinters schlechthin, den mit 25 Meter Zulage gehandicapten besten Wallach der Welt heraus.
Die „turfistes“ gingen ziemlich klar mit der Italienerin, auch weil Cleangame immer ein wenig an den Sehnen laboriert und erneut aus einer zweimonatigen Auszeit kam. Im Rennen selbst war von Konditionsrückstand nichts zu spüren. Der Ouragan-de-Celland-Sohn bekam den Start blendend hin, war ratzfatz in dritter Linie bald dran am vorderen 13er Pulk, aus dem erst Calle Crown, vor der Tribüne Express Jet, ab der Abzweigung der kleinen Bahn Elie de Beaufour die Kommandos gab, und kreuzte in der langsamen Phase an der Seite des Trainingsgefährten auf.
Der scheint ähnlich wie einst Bélina Josselyn ganz auf die Hand des Meisters zugeschnitten, denn wie schon am 9. Dezember François Lagadeuc sprang er dem ihn erstmals steuernden Nicolas Bazire, noch verheißungsvoll an dritter Position liegend, ohne ersichtlichen Grund kurz vorm Schlussbogen aus der Hand. Dort lag Fire Cracker noch vorn, der für den Anstieg Cleangame, der sich im Bogen von Joinville auf den Regiestuhl geklemmt hatte, überrannt hatte, doch rüstete Bazire senior allmählich zum entscheidenden Dolchstoß.
Der erfolgte zu Beginn der Zielgeraden und machte dem „Feuerwerker“ rasch den Garaus. Heimlich, still und leise hatte sich aber auch die von Franck Nivard brillant durchs vordere Mittelfeld lavierte Ampia Mede SM in Schlagdistanz geschummelt und stellte den „besten aktiven Wallach der Welt“ auf den finalen 100 Metern in einem mitreißenden, gleichwohl wohltuend defensiven, fast schon „schwedischen“ Finish zum Kampf.
Allmählich scheint man auch in Frankreich die Zeichen der Tierschutz-Zeit erkannt zu haben - sowohl „JMB“ als auch „Franckie mit der kalten Hand“ setzten die Peitschen nur minimal ein. Es gelang der kleinen, unscheinbaren Braunen mit eisernem Willen, sich um einen „halben Kopf“ vorbei zu raufen und sich den Skalp eines weiteren Giganten zu holen, den man schon mit stringenterem Durchzug gesehen hat.
Für die unter Fabrice Souloys Fittichen richtig aufgeblühte Ganymède-Tochter war’s der zwölfte Erfolg auf französischem Boden bei lediglich 17 Versuchen, mit dem sie nun 532.996 Euro reich ist; 468.650 davon hat sie unter der Regie des Patrons vom Haras de Ginaï eingesammelt.
Der durfte sich zudem über die Vorstellung Gu d’Hériprés freuen, der sich aus dem Mittelfeld prächtig verkaufte und mit Platz drei, bei dem nach vorn wie hinten ähnlich viel Raum war, unterstrich, dass er trotz des ziemlich in die Hose gegangenen Winters noch lange nicht abzuschreiben ist. Für Platz vier wehrte sich Calle Crown erbittert gegen die etwas zu spät auf Hochtouren kommende Rebella Matters.
Wenig zu melden hatten die beiden älteren Damen, denen man ein sehenswerteres Servus gewünscht hätte. Bilooka du Boscail kam nie aus den hinteren Tiefen weg und wird mit 22 Siegen und 821.090 Euro in die Mutterschaft entlassen. Bahia Quesnot zeigte sich bergauf in dritter Spur, war damit heillos überfordert und konnte ihrem Ausbilder Junior Guelpa, der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Bordeaux eine maßgebliche Rolle im seit Dienstag die Republik erschütternden Doping-Skandal spielen soll, keinen Trost spenden.
Als Neunte kam zu den 1.769.133 Euro der Cornulier-Siegerin von 2021 und Zweiten von Oslo Grand Prix und Olympiatravet 2019 nichts mehr hinzu, mit denen ihr Fahrtenbuch geschlossen wird.
Kein Hehl aus ihrer Begeisterung für Ampia Mede SM machten Trainer und Fahrer. „Sie war immer gut und ist eine echte Championesse. Als nächstes werden wir den Prix de l’Atlantique (23. April in Enghien/Anm.d.Red.) in Angriff nehmen, wenn wir in der ersten Startreihe unterkommen. Auch Gu d’Héripré hat mir ausgezeichnet gefallen. Er musste nach der schweren Verletzung lange aussetzen. Da braucht es seine Zeit, bis er wieder wirklich wettbewerbsfähig ist. Ich denke, er ist auf einem guten Weg“, zog Souloy hochzufrieden Bilanz.
Nivard war regelrecht verzaubert: „Was für eine feine Stute! Sie hat klipp und klar bewiesen, dass sie auf diesem Niveau mithalten kann, auch wenn’s ein knochenhartes Stück Arbeit war, Cleangame in die Knie zu zwingen. Ihr Kampfgeist ist außergewöhnlich.“ Mit der Vorstellung seines Wallachs war Jean-Michel Bazire „d’accord“: „Er hat sich prima verkauft und bis zur Linie bravourös gekämpft.“
Prix du Bois de Vincennes - (int.)
2850m Bänderstart, 25m Zulage ab 850.000 Euro; 90.000 Euro
1. Ampia Mede SM 2900 13,0 Franck Nivard 22
6j.br. Stute von Ganymède a.d. Polimpia Slide SM von Yankee Slide
Be: Scud. Se.Fin, IT; Zü: Scud. del Baronetto Srl, IT; Tr: Fabrice Souloy
2. Cleangame 2875 12,4 Jean-Michel Bazire 38
3. Gu d’Héripré 2850 13,2 Jean-Philippe Monclin 370
4. Calle Crown 2850 13,4 David Thomain 420
5. Rebella Matters 2850 13,4 Christophe Martens 170
6. Fire Cracker 2850 13,5 Eric Raffin 160
7. Express Jet 2850 13,7 Pierre Vercruysse 350
8. Fakir du Lorault 2850 13,9 Mickaël Charuel 400
9. Bahia Quesnot 2875 13,3 Junior Guelpa 680
10. Brillant Madrik 2850 14,1 Alexandre Abrivard 630
11. Bilooka du Boscail 2850 14,5 Yves Hurel 1150
12. Hanna des Molles 2850 14,7 Laurent-Claude Abrivard 1350
13. Hip Hop Haufor 2850 14,8g Christian Bigeon 490
14. Chalimar de Guez 2850 15,8 Romain Congard 1590
15. Etoile de Bruyère 2875 15,2 Charles Dreux 2060
. Elie de Beaufour 2850 dis.r. Nicolas Bazire 54
Sieg: 22; Richter: Kampf k.Kopf - 2½ - 3 - Hals - 1 - 2½ Längen; 16 liefen
Zw-Zeiten: 15,9/1.350m - 14,9/1.850m - 13,6/2.350m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Bereits am Start des 2.700 Meter langen, mit 61.000 Euro überschriebenen Prix de Meaux für vierjährige Stuten, die keine 105.000 Euro verdient hatten, konnten die deutschen und niederländischen Fans ihre Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden Lumumbas begraben.
Die Robin Bakker anvertraute deutsche Stuten-Derbysiegerin zeigte einmal mehr ihr Schlechtwetter-Gesicht, galoppierte nach drei Startabbrüchen beim gültigen Versuch ausdauernd und bekam auf der Disqualifikationstafel zügig durch Cilesia Pit, Inès Fligny und Cash Bank Bigi Gesellschaft. Zu diesem Quartett gesellte sich noch Favoritin Isba de Lou, die Jean-Michel Bazire beim Generalangriff 200 Meter vorm Ziel aus dem Ruder lief.
Besser machte es 412:10-Longshot Ivanka de Jilme, die mit Franck Nivard in 1:12,9 zu 1:13,0 Isla Bonita (86:10) sicher um eine Länge abfing.