Anlässlich des 70. Geburtstags von Heinz Wewering am Dienstag dieser Woche hat Heiko Lingk, der Pressechef des Berliner Trabrenn-Vereins und dort zuständig für die "besonderen" Storys, ein wunderbares Porträt über den 29-fachen deutschen Champion verfasst, das wir hier mit freundlicher Genehmigung des BTV veröffentlichen.
(BTV/Heiko Lingk) Wenn man ihn fragt, was ihn zu einem solch herausragenden Sulkysportler geformt hat und was die Basis für seine einzigartige Karriere war, fängt Heinz Wewering an zu schmunzeln und sagt: „Na ja, ein wenig Talent sollte man sicherlich mitbringen – sonst klappt es nicht in diesem Beruf. Und wenn man außerdem fleißig ist und sich wirklich Mühe gibt, kommt vieles von alleine – die Erfahrung sowieso.“ Man könnte fast meinen, dass der am 28. Januar 1950 im westfälischen Albachten, einem Stadtteil von Münster, geborene Pferdefachmann über einen ganz gewöhnlichen und wenig Aufsehen erregenden Lebensweg spricht. Doch das täuscht – denn an Heinz Wewering ist wirklich alles außergewöhnlich. Und trotz der Tatsache, dass er aktuell nicht mehr so viele Starts bestreitet wie in früheren Zeiten, ist stets Wewering gemeint, wenn die Rennsportfans in seiner Heimat vom „ewigen Champion“ sprechen. Obwohl er den Titel des amtierenden Deutschen Meisters, den er zwischen 1977 und 2005 stolze 29 Mal hintereinander gewann, mittlerweile nicht mehr führt.
Heinz Wewering ist eine Legende – doch diesen Begriff mag er überhaupt nicht hören. „So bezeichnet man fast immer verstorbene Menschen – und ich habe noch sehr viel vor“, sagt der Sportler. Er ist zudem nicht nur für die meisten seiner Kollegen, sondern für die gesamte deutsche Rennsportgemeinde ein absolutes Idol, geradezu ein Held. Doch auch dieser Lobpreisung widerspricht der ewige Champion.
„Ich habe ja nur den Beruf auserwählt, der mir am meisten liegt. Ein Held zu sein – das ist etwas völlig anderes. Meine Mutter zum Beispiel hat neun Kinder auf die Welt gebracht und großgezogen. Sie trug ihr Leben lang gemeinsam mit meinem Vater eine ungeheure Verantwortung auf ihren Schultern und hat stets für das Wohlergehen der gesamten Familie gesorgt. Das ist wahres Heldentum! Damit verglichen ist meine eigene Leistung sehr klein.“
Seine unprätentiösen Worte drücken genau das aus, was Heinz Wewering bei allen, die ihn kennen, und sogar bei seinen Konkurrenten so beliebt macht. Obwohl er sämtliche anderen Trabrennfahrer in Bezug auf den Erfolg meilenweit hinter sich lässt, ist er stets bescheiden geblieben und war niemals eitel – ein fairer Sportsmann durch und durch. Wewering hat sich zu keinem Zeitpunkt über andere gestellt. Weder Überheblichkeit noch Arroganz prägen den mit aktuell 16.912 Erfolgen siegreichsten europäischen Trabrennfahrer aller Zeiten – sondern Freundlichkeit und Warmherzigkeit. Selbst in den für ihn höchst stressigen Phasen, als Wewering jeden Tag von Bahn zu Bahn hetzen musste und ununterbrochen im Rampenlicht stand, nahm er sich für seine Fans und das Publikum genügend Zeit, beantwortete geduldig alle Fragen und erfüllte jeden Autogrammwunsch.
Wenn man über die Karriere eines der Größten, die der Sulkysport jemals hervorgebracht hat, berichtet, dann dürfen natürlich einige Eckdaten nicht unerwähnt bleiben. Zum Beispiel Wewerings erster Sieg am 13. September 1965 in Recklinghausen mit dem Wallach Morgan vom Veeinghof. Der erst 15-jährige Teenager, der ursprünglich Jockey werden wollte, gewann damals zur elffachen Siegquote. Eine Ausschüttung, die das wettende Publikum im späteren Verlauf nur noch höchst selten für den in nahezu jedem seiner Rennen als Favoriten eingestuften Profi bekam. Am 31. Mai 1971 folgte mit dem Traber Gammler der Triumph im Bahrenfelder Arthur-Brümmer-Gedächtnisrennen, Wewerings erster Treffer in einer Zuchtprüfung. Fortan ging es Schlag auf Schlag – national und international. Wewering wurde zwischen 1978 und 1997 zweimal Welt- und viermal Europameister, stellte 1983 mit 707 Jahressiegen eine globale Bestmarke auf und löste am 18. Juni 2003 mit seinem Treffer Nummer 14.899 endgültig den Kanadier Herve Filion als siegreichsten Trabrennfahrer des Universums ab.
Es dauerte sehr lange, nämlich bis zum November 2014, bis Heinz Wewering durch den US-Amerikaner Dave Palone vom Thron gestoßen wurde. Und während die hiesige Fachwelt noch rätselte, ob man den Machtwechsel überhaupt anerkennen solle – Palone hatte schließlich etliche seiner Siege nicht in Trabrennen, sondern mit Pacern erzielt – erwies sich der ewige Champion einmal mehr als Gentleman und erkannte die Wachablösung durch den Konkurrenten sofort neidlos an. Heinz Wewering, für den nach eigener Überzeugung Niederlagen aufgrund der daraus gewonnenen Erfahrungen genauso wichtig sind wie Siege, hatte überhaupt kein Problem damit, die neue Bestmarke des Amerikaners zu akzeptieren.
Seinen Respekt für andere Menschen bekam Wewering stets doppelt und dreifach zurück. Es gibt sicherlich nur sehr wenige Leute, die jemals ein negatives Wort über ihn verloren haben. Der mehrfache Berliner Champion Michael Hönemann sagt über ihn bewundernd: „Heinz Wewering hat von Anfang an in einer ganz anderen Liga gespielt als die übrigen Fahrer.“ Der zwölfmalige Mariendorfer Champion Peter Kwiet, selber eine Legende, erzählt: „Ich hatte mal eine Stute im Training, mit der niemand zurechtkam. Sie war überhaupt nicht zu bändigen und keiner bekam sie unter Kontrolle. Eines Tages hat sich Heinz Wewering in ihren Sulky gesetzt und die Stute war sofort zahm wie ein Lamm. Ich habe alle berühmten Trainer und Fahrer kennengelernt – angefangen von Hänschen Frömming bis hin zu Gerhard Krüger. Aber Heinz Wewering ist von allen der Beste!“
Höchste Wertschätzung genießt der Jubilar aber nicht nur bei seinen Berufskollegen und den Rennsportfans, sondern auch in der Öffentlichkeit. Zum Weltrekord gratulierte ihm der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder höchstpersönlich. Schon lange zuvor wurde Wewering mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet und obendrein zum Ehrenbürger des Ruhrgebiets ernannt. Und als der Profi immer öfter in Berlin am Start war und 2010 endgültig in die Hauptstadt zog, dauerte es nicht lange, bis der damalige Bürgermeister Klaus Wowereit den weit über offizielle Pflichtaufgaben hinausgehenden freundschaftlichen Kontakt zu ihm suchte. Das Kreuz auf dem Tippschein setzte Wowereit bei seinen Besuchen anlässlich des Derbys oder der Breeders Crown ohnehin nur hinter Wewerings Starter und kommentierte dies voller Selbstverständlichkeit so: „Ist doch glasklar. Dass dieser Fahrer viel mehr kann als alle anderen, sieht doch selbst ein Blinder.“
Ein Umstand, den auch Wewerings Gegner im wichtigsten deutschen Rennen mehrfach anerkennen mussten. In seiner unglaublichen Erfolgskarriere gewann der Sulkyfahrer bisher achtmal das Deutsche Traber-Derby und zehnmal das Stuten-Derby. Besonders sein erster Sieg im Traber-Derby im September 1981 auf der prall gefüllten Mariendorfer Bahn brannte sich nicht nur ihm selber sondern allen, die vor Ort dabei waren, unauslöschlich ins Gedächtnis. Denn mit dem Hengst Noble Stardom, der ausnahmsweise mal nicht auf seinen sträflicher Weise nicht für das Rennen genannten Dauerrivalen Siegel traf, stand Wewering unter einem enormen, fast schon unmenschlichen Erfolgsdruck. Eine psychologische Last, an der zuvor viele Topfavoriten gescheitert waren.
Schon als Wewering mit seinem Schützling vor dem Rennen den Heat absolvierte, jubelten ihm die über 30.000 anwesenden Zuschauer derart euphorisch und lautstark zu, als hätte er das Derby bereits gewonnen. Die Erwartungen des Publikums stiegen ins Unermessliche. So manch einem Fahrer wären in den qualvollen und beinahe als Ewigkeit empfundenen Minuten vor dem Start die Knie endgültig weich geworden und das Herz in die Hose gesackt. Doch nicht einem Heinz Wewering. Denn der ewige Champion hatte nie ein Problem, mit Druck umzugehen. Er ruht in sich selbst. Heinz Wewering führte sein Pferd an jenem denkwürdigen Tag zu einem überlegenen Sieben-Längen-Sieg. Vielleicht war und ist er eben doch ein Held.