Nachdem unlängst der Bahrenfelder Geschäftsführer Peter Weihermüller seine Kandidatur bei den Neuwahlen zum HVT-Präsidenten am 20. Oktober bekanntgegeben hat, wirft nun auch Dr. Claudia Platvoet ihren Hut in den Ring. Mein-Trabrennsport sprach mit der promovierten Tierärztin aus dem münsterländischen Ascheberg über ihre Motivation und ihre Pläne.
Mein-Trabrennsport: Frau Dr. Platvoet, was ist Ihr Antrieb, für das sicher nicht einfache Amt der HVT-Präsidentin zu kandidieren?
Dr. Claudia Platvoet: Der HVT ist eine Züchtervereinigung. Daher bin ich der Überzeugung, dass dem Verband auch eine Züchterin bzw. ein Züchter vorstehen sollte. Ich vertrete die vierte Generation einer alteingesessenen Züchterfamilie.
Es gibt eine „Züchtergruppe U-50“, einen informellen Zusammenschluss junger Züchter, die sich immer stärker engagieren und Verantwortung übernehmen wollen. Ich gehöre dieser Gruppe zwar an, aber ich sehe mich eigentlich in der Verantwortung für alle Züchter. Durch mich wäre auch der Traberwesten, in dem die deutsche Traberzucht tief verwurzelt ist, endlich wieder im HVT-Präsidium vertreten.
Und: Ich stelle mich zur Wahl, weil ich den Sport unbedingt erhalten will. Meine Familie hat mir immer vorgelebt, für den Sport zu leben - und steht auch jetzt geschlossen hinter mir.
Man kann übrigens nicht behaupten, ich hätte nicht schon über den Tellerrand des deutschen Trabrennsports geschaut. Ich habe acht Jahre in Frankreich gelebt, auf einer Trainingsanlage nahe Le Mans, und überdies zwei Jahre in Schweden gearbeitet. Wie der Zufall es will, bei der jetzigen Präsidentin der UET, Marjaana Alaviuhkola, auf deren Anlage in Halmstad.
MT: Was könnte man aus diesen Ländern übernehmen?
CP: In Frankreich erfolgt die Starterangabe über Infonet. Man kann Pferde bis zu einem festgelegten Termin einschreiben oder rausnehmen. Außerdem kann man dort das Starterfeld einsehen. Dieses System sollte man unbedingt auch in Deutschland einführen und noch ausbauen, z.B. in Form einer Website oder noch besser einer App. Auch könnte ich mir bei uns die in Frankreich sehr populären Verkaufsrennen vorstellen. Viele Besitzer suchen fertige Pferde.
In Schweden gefiel mir eine Aktion der ATG besonders, bei der jedem Radiosender ein Pferd "geschenkt“ wurde, das für einen guten Zweck gelaufen ist. Radiohörer konnten in dieses Projekt einsteigen und es unterstützen. In Schweden haben damals die Radiosender den ganzen Tag über dieses Pferd berichtet und im Fernsehen gab es sogar eine Übertragung der Rennveranstaltung.
Bei uns im Westen gab es in den 90er Jahren ein Projekt, mit dem wir ebenfalls viele sportfremde Menschen erreicht haben und das ich gerne, auch bundesweit, wieder aufleben lassen würde. Ich habe damals gemeinsam mit Hubert Beckmann an der Volkshochschule Münster einen Kurs "Trabrennsport für Anfänger" angeboten. Der Zulauf war enorm.
Es gab dort eine Power-Point-Präsentation über den Trabrennsport und bei uns auf dem Hof hat jeder mal für zwei Stunden im Fohlenwagen die Leinen in die Hand nehmen dürfen. Das Ganze wurde damals zum Selbstkostenpreis angeboten. Alle Kurse waren voll, alle Teilnehmer begeistert. Volkshochschulen sind weit verbreitet und garantieren einen großen Aufschlag – eben auch bundesweit.
MT: Nun zur Mitgliederversammlung. Wie stehen Sie dazu, jetzt auch wieder Rennveranstalter als HVT-Mitglieder zuzulassen?
CP: Die Rennvereine sind Teil des Ganzen und gehören zum System. Das noch amtierende Präsidium hat zur Mitgliederversammlung den Antrag gestellt, alle Rennvereine, die mindestens zehn A- oder B-Bahn-Veranstaltungen im Jahr durchführen, ohne weitere Bedingungen in den HVT aufzunehmen und sie mit Sitz und Stimme auszustatten. Dieser Antrag findet meine volle Zustimmung.
MT: Was halten Sie von der Schaffung eines Züchterbeirats?
CP: Eine gute Idee. Damit würde man einerseits von vielseitigen Erfahrungen profitieren und andererseits Entscheidungen auf eine breitere Basis stellen. Um dafür den Weg zu ebnen, hat das jetzige Präsidium eine entsprechende Satzungsänderung auf die Tagesordnung gesetzt.
Auch das Vorhaben, die regionalen Züchter- und Besitzervereine zu reaktivieren, zu stärken und zu unterstützen, gefällt mir. Jährliche Fohlenschauen waren schon bei meinem Großvater eine Selbstverständlichkeit und gehörten zum festen Repertoire eines jeden Züchters. Dabei wurden natürlich immer auch Pferde gehandelt. Für eine Unterstützung seitens des HVT wurden bereits Möglichkeiten aufgezeigt.
MT: Die Neuwahlen finden unmittelbar vor dem Breeders Crown-Wochenende statt. Leider stagniert das Rennpreis- und Züchterprämien-Niveau aufgrund der rückläufigen Fohlengeburten seit einigen Jahren. Wie kann man der Rennserie frischen Wind einhauchen?
CP: Die deutsche Breeders Crown haben unsere Väter ins Leben gerufen. Sie ist eine Mauer, aus der man nicht einfach einen Stein herausbrechen kann, ohne dass sie umfällt. Wir müssen überlegen, wie wir diese Grundidee aus der Vergangenheit in eine gute Zukunft tragen können. Das wäre zum Beispiel eine Aufgabe für den dann hoffentlich durch die Mitgliederversammlung ins Leben gerufenen Züchterbeirat.
MT: Wie sieht es mit dem Programm anderer Zuchtrennen aus?
CP: In Zuchtrennen für Zwei- und Dreijährige würden nach meiner Vorstellung zumindest mittelfristig nur Pferde aus deutscher Zucht starten. Man muss dafür natürlich einen Anreiz schaffen, wie z. B. durch die bereits in die Diskussion gebrachte Erhöhung der Züchterprämien auf 15 Prozent.
Bei der Dreijährigen-Kriteriums-Serie im nächsten Jahr würden bei einer solchen Vorgehensweise 240.000 Euro an Rennpreisen und dann 36.000 Euro an Züchterprämien ausgeschüttet werden. Das hat zudem den besonderen Charme, dass dieses Geld dann auch tatsächlich in die Taschen derjenigen Züchter fließt, die im deutschen Zuchtbuch züchten. Außerdem gefällt mir daran, dass nach dem Vorbild der Breeders Crown die Kriteriums-Rennen in Läufe für Stuten und Hengste/Wallache aufgeteilt sind.
Wichtig wäre mir allerdings, dass die Termine für die deutsche Kriteriums-Serie vernünftig abgestimmt werden mit den Rennen der TCT-Serie, damit die Besitzer die Möglichkeit haben, alle Optionen wahrzunehmen.
MT: Immer wieder in der Kritik steht das hiesige Rennsystem des Basissports. Es sei zu unflexibel und würde den wahren Leistungsstand vieler Pferde nicht berücksichtigen.
CP: Ich bin durch meinen Mann, Mario van Dooyeweerd, dicht am Geschehen und erlebe oft seine verzweifelte Suche nach passenden Rennen. Die Ausschreibungen bedürfen in der Tat einer Überarbeitung, sind im Grunde aber eine Sache der Rennveranstalter.
Dass schon jetzt mit ein bisschen Kreativität vieles möglich ist und man gewinnreichen, jedoch formschwachen Pferden adäquate Startmöglichkeiten bieten kann, zeigen die Münchner mit durchdachten Ausschreibungskriterien und interessanten Handicaps. Möglicherweise werden diese Rennen noch reizvoller durch eine zentrale Starterangabe, für die man sicherlich die technischen Voraussetzungen beim HVT schaffen könnte.
MT: Startpferde sind knapp, aber auch Besitzer und Züchter. Wie wollen Sie neue Leute für den Sport gewinnen?
CP: Mir gefällt die neue Form von Besitzergemeinschaften wie die TraberParti oder die Gruppen, die Marcus Gramüller ins Leben gerufen hat wie Team Bossa Nova oder Team M Eck Enroe, sehr gut. Einige der Shareholder stehen mittlerweile auf eigenen Beinen und sind sogar Amateurfahrer geworden. Diese Besitzergemeinschaften sind zweifellos ein probates Mittel zur Akquise neuer Kunden.
Man kann dies sicherlich über das Internet noch verstärken. Auch da sind schon interessante Ansätze in der Diskussion, die ich unterstützen will. Man könnte auch ein noch größeres Projekt wagen, nach dem Vorbild der schwedischen Travkompaniet. Dort werden Pferde aus dem Hochpreis-Segment von einer 3000-köpfigen Besitzergemeinschaft gehalten. Mit Maharajah gewann man sogar den Prix d’Amérique.
Ein Thema, das mir in dem Zusammenhang unter den Nägeln brennt, ist das Ambiente auf unseren Rennbahnen. Gerade für größere Besitzer- oder Züchtergemeinschaften muss man auf den Rennbahnen Begegnungsstätten wie eigene Tribünen-Lounges schaffen. Hierbei können viele helfen. Da sind auch die regionalen Züchter- und Besitzervereine gefragt.
MT: Noch schwieriger ist es, junge Leute für den Trabrennsport zu begeistern. Das deutsche Rennbahnpublikum gilt als überaltert. Wie wollen Sie hier gegensteuern?
CP: Die von mir genannten Tribünen-Lounges müssen selbstverständlich mit schnellem WLAN ausgestattet sein. Das ist in der heutigen Zeit ein Muss. Auch schwebt mir die Schaffung eigener digitaler Informationsmedien für den inneren Zirkel von Besitzern, Züchtern und Aktiven vor. Ich selber poste sehr viel auf Facebook und erreiche damit eine Vielzahl von Traberleuten. Das sollte man ausbauen. Unter meiner Führung hätte der HVT eine offizielle Plattform bei Facebook, bei YouTube und bei Instagram.
Absolut nachahmenswert ist das Jungzüchter-Programm der FN. Dabei werden Kinder und Jugendliche in Kontakt mit Pferden gebracht. Wichtig ist dabei nach meiner Auffassung, dass man kein eigenes Pferd besitzen muss, um Jungzüchter zu werden. Dieses Konzept sollte man unbedingt übernehmen. Die Kinder lernen den Umgang mit dem Partner Pferd in Theorie und Praxis. Dabei sind alle Bereiche wie Zucht, Sport, Fütterung und Veterinärmedizin enthalten. Es gibt regionale und überregionale Wettbewerbe. Eine solche Idee wäre perfekt kompatibel mit unseren eifrigen und aufstrebenden Mini-Trabern.
MT: Abschließend noch die Frage nach Ihren Mitstreitern im Präsidium. Treten Sie alleine an oder haben Sie ein Team?
CP: Ich freue mich sehr, dass aus dem bisherigen Präsidium der von mir mehr als geschätzte Kollege Dr. Anton-Peter Graßl, bei dem ich sogar einen Teil meiner veterinärmedizinischen Ausbildung absolviert habe, weiter zur Verfügung steht.
Dr. Graßl betreibt auf dem ehemaligen Gestüt Aschau, der Heimat vieler Derbysieger und Klassepferde, nicht nur hoch erfolgreich eine tierärztliche Praxis, sondern er ist auch seit Jahrzehnten als Züchter und Hengsthalter aktiv und anerkannt.
Er ist außerdem in vielen öffentlichen Gremien vertreten. Er kennt alle tierzucht- und tierschutzrelevanten Themen aus dem Effeff. Er ist die Schnittstelle zu den bayerischen Aufsichtsbehörden schlechthin, weil er wie wenige andere persönliche Verbindungen und damit Zugang zu den Entscheidern hat. Aus Bayern kommt auf ministeriellem Wege dann wieder sehr viel nach Berlin zurück.
Christian Tausent ist schon seit seiner Jugend in vielen Funktionen auf der Rennbahn tätig gewesen, z.B. als Zielrichter und Zeitnehmer. Darüber hinaus war er auch viele Jahre Amateurfahrer und kennt den Sport in- und auswendig. Er ist später als angesehener Geschäftsmann und besonderer Freund Peter Heitmanns zurückgekehrt und ist mit diesem zusammen, aber auch allein, als erfolgreicher Züchter von Pferden wie Portland, Ocean Blue, Quandor, Quick Lady, Smilla oder Straight Flush besonders in Erscheinung getreten. Aktuell ist er im Vorstand des Norddeutschen Traber-Besitzer- und -Züchter-Vereins und Mitglied im Schiedsgericht.
Dr. Christian Ziegener ist Züchter und Amateurfahrer seit Jahrzehnten, ein Berliner Urgestein. Er ist aktiv in vielen Vereinen wie dem Berliner Trabrennverein oder im Vorstand des Vereins Deutscher Trabrennstallbesitzer. Meinungsstark, nicht gefallsüchtig, dabei immer verlässlich und geradeaus. Jemand, der in Berlin dafür bekannt ist, zusammen mit seiner ebenfalls trabrennsportverrückten Familie niemals im Tribünenhaus, sondern immer direkt an den Rails zu sitzen. Ein Mann der Basis.
Auf keinen Fall möchte ich auf die Expertise von Heinz Tell, in welcher Funktion auch immer, verzichten. Meine Familie kennt und schätzt ihn seit Jahrzehnten. Er ist national wie international bestens vernetzt und ein wichtiger „Türöffner“ für den deutschen Trabrennsport, zum Beispiel bei der UET oder der PMU.
Ohne ihn hätte es die erfolgreiche Profi-Weltmeisterschaft und die Welttraber-Konferenz in Deutschland sicher nicht gegeben. Auch die für den deutschen Basissport unverzichtbaren, lukrativen PMU-Termine sind dem Verhandlungsgeschick Heinz Tells zu verdanken. Er steht allerdings nur noch für zwei Jahre zur Verfügung, um einen „weichen“ Übergang mitzugestalten.
Ich möchte aber auch hier besonders den Blick auf die PMU-Rennen an sich richten. Sie sind ein kostbares Gut und stellen sicher, dass in alle Regionen Deutschlands gleichermaßen viel Geld fließt. Ohne die Finanzierung durch die PMU-Rennen würden wir den Traber-Westen verlieren. Dies hätte für den deutschen Trabrennsport katastrophale Folgen.
Es wird darum die vordringliche Aufgabe eines neuen Präsidiums des HVT sein, hier sehr behutsam und mit großem Verantwortungsgefühl vorzugehen. Wir müssen und wollen den deutschen Trabrennsport verjüngen, brauchen aber in einer Übergangsphase unbedingt ein vernünftiges und ausgewogenes Zusammenspiel von alter Erfahrung und neuem Elan. Andernfalls können wir viel verlieren.
Aber das Präsidium des HVT wird es allein ohnehin nicht richten können. Alle am Trabrennsport Beteiligten müssen die Gräben überwinden und die Reihen schließen. Dafür treten wir als Team an.
MT: Frau Dr. Platvoet, vielen Dank für das Gespräch.