Der Countdown läuft. Wenige Tage vor dem Finale zum 125. Deutschen Traber-Derby hat die Redaktion von Mein-Trabrennsport.de das Starterfeld noch einmal genauer unter die Lupe genommen und dabei manch interessantes und auch kurioses Detail entdeckt.
Der „Rekord“ von Charlie Mills hält
Neun Mal gewann der große Charlie Mills das Deutsche Traber-Derby. Beim ersten Triumph 1910 mit der Stute Raute war der in Hamburg geborene Ire gerade 21 Jahre alt – und ist damit bis heute der jüngste Derby-Siegfahrer in den Annalen des Rennens. Dieser Rekord wird auch die 125. Auflage überstehen, dessen jüngster Teilnehmer Robbin Bot ist. Er wurde Anfang August 29. So alt war auch Oliver Wewering 1999 beim Überraschungs-Coup mit German Titan.
Dicht an Mills‘ Rekord heran kam 2006 Hugo Langeweg junior, der beim Triumph mit Russel November gerade 22 Jahr alt war. Junge Sieger waren auch Johannes Frömming und Gottlieb Jauß II, die 23-jährig mit Xifra bzw. Aga ihr erstes Blaues Band errangen. Gerhard Krüger war bei seinem ersten von drei Derbyerfolgen mit Stella Bella 24 Jahre alt.
Alle Derbysieger seit 1895:
Der von Arnold Mollema wackelt
Ältester Gewinner des Deutschen Traber-Derbys ist bis heute Arnold Mollema, der beim Triumph 2014 mit Expo Express 66 Jahre alt war. Ein später Erfolg im Blauen Band gelang auch Johannes Frömming, der 1976 64-jährig mit Alsterhof in Berlin auftrumpfte. Walter Heitmann war 63, als er 1967 mit Lord Pit zuschlug, Robert Großmann 58 (1928 mit Britton), Johnny Mills 57 (1950 mit Riedel) und Charlie Mills 53, als er 1942 mit Missouri seinen neunten Derby-Sieg errang.
Heinz Wewering jagt zwei Marken
Sollte Keytothehill seiner klaren Favoritenstellung am Sonntag gerecht werden, würde Heinz Wewering Arnold Mollema als ältesten Fahrer in der Siegerliste des Deutschen Traber-Derbys ablösen. Der Platinhelm wäre dann der erste Pilot, der beim Derbysieg 70 oder älter ist. Dass 70-jährige ein Derby gewinnen können, bewiesen unlängst bereits Steen Juul in Dänemark und Pekka Korpi in Finnland.
Zugleich würde Wewering Charlie Mills einholen, der im „Rennen der Rennen“ neun Mal triumphierte, bislang ein Mal mehr als Wewering. Unerreicht bleiben die jeweils elf Derbysiege von Johannes Frömming und Robert Großmann.
„Mister Derby“ aus Holland
„Mister Derby“ des neuen Jahrtausends ist ganz klar Robin Bakker, der binnen sechs Jahren fünf Mal nach dem Finale am Mariendorfer Winner-Circle vorfuhr – stets in Zusammenarbeit mit Trainer Paul Hagoort. Das kongeniale Duo aus den Niederlanden verantwortet auch die Rennrekorde im Deutschen Traber-Derby. 2018 gewann Ids Boko in 1:12,1 den schnellsten jemals gelaufenen Vorlauf, eine Woche später Mister F Daag in 1:12,3 das schnellste Finale.
Oranje boven
Robin Bakker führt auch die große niederländische Fahrer-Equipe im Endlauf 2020 an. Nie zuvor haben sieben holländische Piloten das Berliner Finale bestritten. Für die internationale Note sorgen überdies der Schwede Peter Untersteiner und der Däne Michael Larsen, während Rudi Haller, Michael Nimczyk und Heinz Wewering die deutsche Fahne hochhalten. Das ist keinesfalls Minusrekord. 2018 nahmen mit Nimczyk und Wewering gar nur zwei deutsche Fahrer am Finale teil.
Wer folgt Seppi Franzl?
Der letzte Erfolg eines deutschen Fahrers im Blauen Band liegt bereits acht Jahre zurück – und bleibt ob seiner Begleitumstände unvergessen. Seppi Franzl durchbrach 2012 mit Dream Magic BE die holländische Phalanx, die neben Bakker Peter Strooper, Arnold Mollema und Rick Ebbinge bildeten (noch in den Nuller-Jahren hatten sieben deutsche Driver das Derby gewonnen). Erster im Ziel war damals Thorsten Tietz mit Chapeau, verlor den Sieg nach einem viel diskutierten „Stall-Protest“ aber am grünen Tisch, worauf der an der strittigen Situation unbeteiligte Seppi Franzl die Derby-Ehrenrunde drehen durfte.
Zum dritten Mal Holzapfel?
Mitbesitzer von Dream Magic BE war seinerzeit Johann Holzapfel, der das Glücksgefühl einer Siegerehrung im Derby unbedingt noch einmal erleben wollte und sich an Tsunami Diamant beteiligte, der ihm 2017 prompt den zweiten Derby-Triumph bescherte. Jetzt war der Immobilien-Kaufmann aus Anzing bei München endgültig auf den Geschmack gekommen und erwarb 2020 Anteile gleich mehrerer Derby-Aspiranten. Die Chancen auf einen dritten Winnercircle-Besuch stehen nicht schlecht. Johann Holzapfel (75) ist Mitbesitzer von Keytothehill und Wild West Diamant.
Gemischte Gefühle
Zwei Herzen schlagen vor dem großen Finale in der Brust von Hiltje Tjalsma. Hollands mit mehr als 300 Siegen erfolgreichste Amateurfahrerin und Europameisterin 2018 ist einerseits im Stall Hagoort zuständig für die Rundumbetreuung von Wild West Diamant, andererseits aber auch Züchterin von Keytothehill, weshalb man die 41-jährige in Berlin ständig hin- und herhetzen sieht zwischen dem Hagoort-Quartier und dem Winnercircle, wo sie natürlich die Ehrenpreise für den Züchter entgegennehmen will.
Zuchtperle für Derby-Gene
Mit Keytothehills Mutter Chanou (v. Awesome Goal), 2005 selbst Stuten-Derby-Teilnehmerin, allerdings im Vorlauf bereits raus, und Halbschwester des Derby-Vorlauf-Fünften General CC, bestritt Hiltje Tjalsma später zahlreiche Amateurfahren. Nach Beendigung der Rennlaufbahn Anfang 2008 begann sie mit der Stute zu züchten – aus dem Stand gleich Mal zwei Derby-Pferde. Erstling der Chanou war 2009 Comeonhill (30.000 Euro/1:12,2), ein Jahr später folgte Donehill (46.000 Euro/1:13,0). Beide verfehlten das Derby-Finale, zählten aber zur erweiterten Jahrgangsspitze.
Obwohl Comeonhill beileibe kein einfaches Pferd war und über ein allzu dünnes Nervenkostüm verfügte, ließ Hiltje Tjalsma Chanou in der Saison 2016 erneut vom Andover-Hall-Sohn Quite Easy (372.000 Euro/1:11,1) decken. Eine kluge Entscheidung, wie man heute weiß. Am 10. Mai 2017 erblickte ein Hengst das Licht der Welt, den die Züchterin auf den Namen Keytothehill taufte. Ob der letzte Nachkomme der Chanou den Schlüssel zum höchsten Gipfel des deutschen Trabrennsport besitzt, wird sich am Sonntag zeigen.
Ein unbekannter Beschäler ist Quite Easy in Deutschland übrigens nicht. Der auf Broline International AB im südschwedischen Svenljunga stationierte, mittlerweile 16 Jahre alte Hengst verfügt hierzulande über eine kleine, allerdings namhafte Nachkommenschaft. So entstammen neben Keytothehill auch Monté-König Zauni und die Breeders-Crown-Erste Red Riding Hood dem schwedischen US-Import, dessen erfolgreichstes Produkt die französische Gruppe-I-Siegerin und Cornulier-Vierte Moving On (1:11,0) ist.
Väter der Derby-Finalisten
Bemerkenswerterweise hat von den Vätern der zwölf Finalisten 2020 erst ein einziger einen deutschen Derbysieger hervorgebracht. Der französische Dauerbrenner Love You, Vater von Cunningham, verantwortete 2008 Nu Pagadi.
Kaum zu glauben, dass Muscle Hill, der weltweite Überflieger der Beschäler und Vater mehrerer Hambletonian-Sieger, noch keinen deutschen Derby-Triumphator in seiner Nachkommenschaft hat. Mit Wild West Diamant und Because you love me hat Muscle Hill heuer immerhin zwei “Waffen” am Start.
Doppelt vertreten ist auch Prodigious durch Gold Cap BR und Black Jack. Straight Flush und Venture Capital haben mit Pastor Stephen und Broad Bahn junge, angesagte US-Stallions zum Vater. Neben Muscle Hill wartet auch Ready Cash auf seinen ersten deutschen Derbysieger. Toto Barosso könnte den Bann brechen. King of Greenwoods Vater Russel November hat das Deutsche Derby einst selbst gewonnen. Ufo Kievitshof, der Vater von Dream Fashion, war 2005 Zweiter. Wishing Stones erster deutscher Jahrgang umfasst nur vier Nachkommen, darunter den Derbyfinalisten Pergamon S.
Dreifache Krone
Keytothehill greift übrigens nicht nur nach dem Derbysieg, sondern auch nach der Dreifachen Krone, die seit 1922 demjenigen gebührt, der neben dem Blauen Band auch die beiden wichtigen Vorprüfungen, das Adbell-Toddington- und das Buddenbrock-Rennen, gewinnt. In den zurückliegenden knapp 100 Jahren gelang dies 18 Dreijährigen. Der bisher letzte war 2014 Expo Express – aus dem Quartier von Arnold Mollema.