(nn) Vincennes, Freitag, 25. Dezember 2020. Weder Rast noch Ruh kennt der französische Turf auch um die Weihnachtszeit. Gingen am Heiligen Abend nach einem Zehn-Rennen-Menü die Lichter auf dem Plateau de Gravelle erst um 18.10 Uhr aus, so nahm der Hauptstarter 20 Stunden später am um 14.00 Uhr die nächsten Schäfchen unter Order.
Den ersten Feiertags eröffneten die zweijährigen Stuten, die sich das erste Mal in einem Halbklassiker maßen - die Hengste folgen am Samstag. Im Prix Une de Mai um 85.000 Euro verhagelten sie Philippe Allaire, dem Mann für die Youngsters, das Weihnachtsfest gründlich. Beim siebenten Auftritt leistete sich seine Musterschülerin Italienne erstmals eine Galoppade - kurz nach dem Start, was die bei „14½“ Sprüngen am Rand der Disqualifikation wandelnde Goetmals-Wood-Tochter rund 40 Meter auf die von I Wanna Be Queen gebildete Tête kostete.
Ein Handicap, das über 2175 Meter schwer wettzumachen ist, zumal der vordere Express bei Durchgangszeiten von unter 1:12 auf niemanden wartete. Dennoch gelang es der „Italienerin“, hinter Inès Fligny, Iseult Flower, I Love Me und Idylle à Vie im fünften Paar außen zumindest für eine der mittelprächtigen Prämien halbwegs in Schlagdistanz zu kommen. Bergan übernahm I Want You den Taktstock und war auch an der letzten Ecke vorn, als in dritter Linie Iseult Flower Programm machte und reichlich im Angebot zu haben schien - ganz im Gegensatz zu „Todesspurerin“ Inès Fligny.
Unter Charley Heslouins Hilfen wankte sie ins Geläuf von I Wanna Be Queen, die kurz sprang, an den Sulky I Want Yous „klopfte“, die durch diesen Stoß aus dem Rhythmus geriet und ausgemustert wurde. Das Durcheinander schaffte den nötigen Raum für die bis dahin im inneren Mittelfeld ausbruchsicher verpackte Illusive Artist. Ein alter Fahrensmann wie Jean-Philippe Dubois ließ sich nicht zweimal bitten und aus der Illusion Realität werden: Brutal um 1½ Längen riss die Prodigious-Tochter mit ihrem dritten Treffer den selten im Rampenlicht stehenden Anthony Muidebled aus allen Träumen, den ersten Gruppe-Sieg zu landen.
Die durchweg innen engagierten Ialka Jénilat und Île aux Moines schnappten sich die nächsten Prämien vor I Wanna Be Queen, Italienne und Inès Fligny. Damit war die Messe noch lange nicht gesungen; ein paar Strophen hatten auch die Rennrichter in petto. Sie disqualifizierten I Wanna Be Queen und Italienne wegen unsauberer Schritte und Inès Fligny als - unbeabsichtigte - Auslöserin der fatalen Kettenreaktion, so dass Ivana des Racques und Idylle à Vie zu Kleingeld kamen.
„Rennen in der Warteschleife liebt sie. Es hat ein bisschen gedauert, bis sie wusste, was wir von ihr wollten, aber jetzt hat sie’s begriffen. Bleibt sie in Form und gesund, werden wir in diesem Winter noch einiges von ihr hören und sehen“, versprach Jean-Philippe Dubois.
Prix Une de Mai (Gruppe II nat., zweij. Stuten)
2175m Bänderstart o.Z., 85.000 Euro
1. Illusive Artist 13,7 Jean-Philippe Dubois 86
2j.br. Stute von Prodigious a.d. Real Artist von Love You
Zü / Be: Ec. Victoria Dreams (Jean-Philippe Dubois); Tr: Philippe Moulin
2. Iseult Flower 13,8 Anthony Muidebled 570
3. Ialka Jénilat 14,0 Franck Nivard 220
4. Île aux Moines 14,1 Benoît Robin 320
5. Ivana des Racques 14,7 Yoann Lebourgeois 820
6. Idylle à Vie 15,1 Alexis Chéradame 110
I Love Me dis.r. Tony Le Beller 360
Isis de Rose dis.r. Guillermo Roig Balaguer 2070
Infinity Kalouma dis.r. Romain Derieux 1530
I Want You dis.r. Eric Raffin 94
I Wanna Be Queen 5.dai Léo Abrivard 89
Italienne 6.dai David Thomain 16
Inès Fligny* 7.dRL Charley Heslouin 490
*Als Siebente disqualifiziert wegen rennentscheidenden Störens von I Wanna Be Queen 250 Meter vorm Ziel
Sieg: 86; Richter: leicht 1½ - 2½ - ¾ - (1¼ - 1 - 1¼) - 3½ Längen; 13 liefen
Zw-Zeiten: 11,7/675m - 11,7/1175m - 13,5/1675m
Wert: 38.250 - 21.250 - 11.900 - 6.800 - 4.250 - 1.700 (- 850) Euro
Warten belohnt
Nichts zu ernten gab’s für die Favoritenwetter auch im anschließenden Prix Sans Dire Qui für „internationale“ fünf- und sechsjährige Satteltraber, die keine 400.000 Euro gewonnen hatten und in dem Björn Goops Derby-Zweiter 2018 Chianti als Solist die Fraktion der Ausländer bildete. Für den Dritten der Monté-SM, sein bislang einziges Engagement in diesem Metier, war Yoann Lebourgeois verpflichtet, doch hatte der Scarlet-Knight-Sohn keinen echten Moment, tummelte sich stets hinten herum und ließ mit Faintaisie nur die Ärmste des Achter-Packs hinter sich.
Noch schlimmer erging es Freeman de Houëlle, der ob seines glamourösen 1:12,8-Monté-Sieges über die auch heute geforderte 2850-Meter-Strecke für schmale 16:10 loslegte, mit der klaren Führung bergab kurz vorm Bogen von Joinville schwer aus dem Strich geriet und rot sah. Das Kommando fiel unblutig zurück an Egao Jénilou, der im Scheitel der unteren Kurve vom mit einem Blitzangriff aufwartenden Forever Speed verdrängt wurde, der noch an der Einmündung der kleinen Bahn zwei, drei Längen voraus war.
Das reichte nicht gegen die Räuber, deren Hauptmann Egao Jénilou rasch vorbei war, als es auf die Zielgerade ging. In dessen Windschatten hatte Camille Levesque, die nur noch sporadisch und wenn überhaupt fast ausschließlich in Vincennes in den Sattel steigt - dies war ihr 30. Saisonritt - mit Familienpferd Flicka de Blary kühl bis ins Herz gewartet und machte dem Village-Mystic-Sohn recht sicher um eine Dreiviertellänge den Garaus, ohne auch nur einmal den „Stock“ einzusetzen.
Beim dritten Start nach der Sommerpause knüpfte die Sam-Bourbon-Tochter mit ihrem achten Sieg endlich an die vergangenen beiden Winter an und bewies, dass auch in diesem Meeting in ihrer Spezialdisziplin mit ihr zu rechnen ist. Mit nunmehr 306.180 Euro stehen ihr einige lukrative Aufgaben offen.
Fünf Längen dahinter sackte die seit Urzeiten auf Gruppe-Level aktive, aber auf diesem Niveau noch nie siegreiche Flore de Janeiro mehr wegen der Schwäche der Anderen denn aus eigener Stärke die lukrative dritte Prämie ein.
„Es ist schon ein Weilchen her, dass Flicka eine solche Vorstellung gegeben hat. Wir hatten durchaus Zweifel, dass sie noch mal den Anschluss an die großen Auftritte der vergangenen Winter schaffen würde. Ich glaube, die hat sie heute ausgeräumt. Bleibt sie in dieser Form, ist ein Start im Cornulier keine Utopie“, schnaufte Thomas Levesque, Camilles Bruder und Flickas Trainer, erleichtert durch.
Prix Sans Dire Oui - Monté - (Gruppe III int., Fünf- und Sechsj., keine 400.000 Euro)
2850m Bänderstart o.Z., 70.000 Euro
1. Flicka de Blary 12,9 Camille Levesque 101
5j.br. Stute von Sam Bourbon a.d. Kalinkaya von Coktail Jet
Be / Tr: Thomas Levesque; Zü: Ec. de Blary
2. Egao Jénilou 12,9 Mathieu Mottier 61
3. Flore de Janeiro 13,3 Florian Desmigneux 740
4. Forever Speed 13,4 Julien Raffestin 660
5. Fun Quick 13,6 Matthieu Abrivard 60
6. Chianti 14,0 Yoann Lebourgeois 88
7. Fantaisie 14,0 François Lagadeuc 540
Freeman de Houëlle dis.r. Eric Raffin 16
Sieg: 101; Richter: sicher ¾ - 5 - 2 - 2 - 6½ - 1½ Längen; 8 liefen
Zw-Zeiten: 13,4/1350m - 13,0/1850m - 13,1/2350m
Wert: 31.500 - 20.500 - 9.800 - 5.600 - 3.500 - 1.400 - 700 Euro