Im Prix de Bourgogneschlug die Stunde zweier älterer Damen des immer monströser werdenden „B“-Jahrgangs der Franzosen, von denen man das so nicht unbedingt erwartet hätte. Allerdings kam diese vorletzten Möglichkeit, sich für den Prix d’Amérique auf sportlichem Weg zu qualifizieren, ungewöhnlich offen daher. Die einen mussten nicht volles Rohr fahren, weil sie das Ticket bereits in der Tasche hatten, sei es durch die vorigen „B“-Läufe - in diese Kategorie fallen unter anderem Davidson du Pont und Looking Superb -, andere wie Titelverteidigerin Bélina Joselyn, der Jean-Michel Bazire rundum mit Eisen versehen die nächste öffentliche Trainingsarbeit im dichten Pulk verschrieben hatte, haben wegen ihrer horrenden Gewinnsumme keine Sorgen, am 26. Januar zum Feld der 18 Erlauchten zu zählen. Und die „Armen“ hatten zu großen Teilen für den bei den Millionären geforderten Level in den letzten Monaten schlichtweg zu wenig geboten.
Einer, der nach dem Willen seines Besitzer-Sprachrohrs Pierre Pilarski zum Siegen geradezu verdammt ist, trat, soll es mit dem „rundum barfuß“ zum Amérique etwas werden, ebenfalls mit vier Eisen an und wurde eher mangels geeigneter Alternativen denn aus Überzeugung auf den Favoritenschild gehoben: der inzwischen mit Eric Raffin fest liierte Bold Eagle. Dem verschrieb der kommende französische „Etrier d’Or“ erneut eine ziemlich offensive Taktik, die das gewinnreichste aktive Trabrennpferd der Welt auf diesem „haut niveau“ in den letzten Jahren nie mehr so recht goutiert hatte, und schien damit bis 200 Meter vorm Ziel auf dem rechten Weg. Bis der im Radsport gefürchtete „Mann mit dem Hammer“ um die Ecke kam und den Adler derart niederstreckte, dass um ein Haar fast noch Platz fünf gegen den unauffälligen Trainingsgefährten Carat Williams flöten gegangen wäre. Am Ende gab’s neben einem Knick in der Moral, der durchaus Spätfolgen für den Amérique haben kann, schmale 5.500 Euro in die Kasse, womit er Timoko im Fernduell um den (diskussionswürdigen) Titel des gewinnreichsten Trabers aller Zeiten nur unwesentlich auf die Pelle gerückt ist: 4.956.617 Euro zu jenen 5.006.731 des Ende August 2017 verrenteten Westerink-Juwels lautet der neue Spielstand.
Und weil auch Bazires fünfköpfige Armada, für die zu Beginn alles prächtig im Lot schien, schweren Schiffbruch erlitt - allein Looking Superb kam als Siebter in den Genuss eines Futterkosten-Zuschusses -, die sonst so zuverlässige Tessy d’Eté unmittelbar nach dem Start sowie Ringostarr Treb im dichten vorderen Getümmel auf der Suche nach freier Bahn im Einlauf aus dem Takt geriet und weiterhin wenig Fortune auf dem Plateau de Gravelle entwickelte, schlug die Stunde von einer, die so mancher für Matches auf diesem Level bereits abgeschrieben hatte. Wie 2018 Bird Parker scheint die Tingeltour der französischen Traber durch die PMU-assoziierten Länder West- und Südeuropas Billie de Montfort verloren geglaubten Mumm zurückgegeben zu haben.
Das war bereits bei Platz drei im Prix du Bourbonnais augenfällig, und heute hätte es kein Drehbuchautor besser hinbekommen können: Zum 100. „Bühnen-Jubiläum“ schlug sie, die seit Beginn ihrer Karriere in Gruppe-Aufgaben ihre Haut zu Markte getragen hat, auf enorm flinken Endspurt-Beinen allen ganz locker ein Schnippchen. Beim 19. Sieg „lifetime“, mit dem ihr ohnehin üppiges Konto auf 2.082.981 Euro kletterte, fuhr Gabriele Gelormini jubelnd durchs Ziel. „Überrascht darüber bin ich eigentlich nicht. Sie hört nie auf, uns zu verblüffen. Seit Ende zweijährig turnt sie in diesem irren Jahrgang auf höchstem Parkett mit, und das gegen Cracks wie Bold Eagle, Bird Parker, Bélina Josselyn. Die Saison 2018 war nicht so berauschend, aber nun ist sie wieder voll da - vielleicht besser als je zuvor“, strahlte der 28-jährige Italiener über einen seiner prestigeträchtigsten Erfolge überhaupt.
Trainer Sébastien Guarato zollte ihr höchsten Respekt: „Sie ist ein echter Crack und hat in diesem Winter noch einmal das höchste Niveau erklommen. Das hab selbst ich nicht erwartet. Bereits nach dem ‚Bourbonnais‘ hat Gabriele gemeint, er hätte gewinnen können, wäre er nur früher freigekommen. Heute hat alles bis aufs i-Tüpfelchen gepasst.“ Es war Billies erster Sieg in Vincennes seit dem 26. August 2015, als sie den Prix Guy Le Gonidec gewann - damals wie heute vor Bahia Quesnot. Natürlich gab der Erfolgstrainer auch ein Statement zu Bold Eagle ab: „Er musste heute rundum mit Eisen laufen - das war das erste kleine Handicap. Dann ging’s von Anfang an sehr zügig zur Sache, und in der Schlusskurve wurde es richtig hart. Ich denke, rundum barfuß und mit einem verdeckten Run werden wir im Amérique einen völlig anderen Bold Eagle erleben.“
Der Rennverlauf
Bis auf Bélina Josselyn, die - ausgerechnet mit dem „Chef“ - von der „7“ lange in dritter Spur hängenblieb, lief es für den Bazire-Express zu Beginn ausgesprochen gut. Zwar kamen die bereits qualifizierten Davidson du Pont, über den gemunkelt wurde, er solle trotz vier Eisen heute ernsthaft getestet werden, und Looking Superb nur im hinteren Mitteltreffen unter (und von dort nie an die Sonne), doch umso besser lief’s für die beiden Armen. Aus zweiter Startreihe flitzten Valokaja Hindö und Calaska de Guez, denen Bazire durchaus den Sprung ins Amérique-Elitefeld zutraute, blendend los. Kaum hatte sich Raffin mit Bold Eagle von der „8“ an Ringostarr Treb vorbei die Spitze gesichert, als Christophe Martens mit dem gebürtigen Dänen angebraust und zu Beginn des Bogens von Joinville auch vorbei kam. Das wiederum war das Zeichen für Nicolas Bazire, bei Calaska de Guez das Gaspedal durchzutreten. Selbstredend wurde die Stute von Martens zur Spitze durchgewunken.
Hinter diesem Duo wollte Raffin dann doch nicht verhaftet werden, und so wurde Bold Eagle zu Beginn des Anstiegs nach überaus anspruchsvollen 1:05,3 für die ersten 500 Meter in die Todesspur dirigiert. An ihn hängten sich Ringostarr Treb, Billie de Montfort, Davidson du Pont, Traders, Détroit Castelets und Activated, wodurch innen Uza Josselyn, Carat Williams und Vivid Wise As vorrücken konnten. Für Bélina Josselyn suchte „JMB“ ebenso verzweifelt wie vergeblich ein Plätzchen in Spur zwei und konnte von Glück sagen, dass Junior Guelpa die ganz hinten postierte Bahia Quesnot bergan auf den Vormarsch scheuchte und für Bélina die Lokomotive spielte. Die konnte das honorige Angebot nur halb nutzen, denn vor ihr schummelte sich Billie de Montfort in den Rücken der eisenharten Guelpa-Stute, die die Überland-Partie blendend durchstand.
Gegen Bold Eagle schien dennoch nichts zu löten, mit dem Eric Raffin im Schlussbogen, wo Calaska de Guez und Valokaja Hindö an überdeutliche Grenzen stießen, aufs Ganze ging. Unter dem Jubel des Publikums setzte sich „Boldie“ rasch auf drei, vier Längen ab, spürte dann jedoch die anfängliche Tempohatz gewaltig. Bahia Quesnot hatte ihn Mitte der Zielgeraden schwer am Wickel, noch einen Tick besser konnte es die geradezu explodierende Billie de Montfort. Hätte Vivid Wise As nicht so unendlich weit weg von der vorderen Musik gelegen und es den Italiener nicht in die vierte Schlussbogenspur verschlagen, hätte der Yankee-Glide-Sohn vielleicht sogar der großen alten Dame die Lorbeeren wegschnappen können. So reichte es „nur“ zu Platz drei, womit die Scuderia Bivans neben Face Time Bourbon einen zweiten Amérique-Starter hat; einmal mehr muss man Goop hohes Lob zollen, der wie kaum ein Zweiter in Europa Pferde am Ende schnell zu machen versteht. Den streng verdeckten inneren Trip nutzten Uza Josselyn und Carat Williams „um Bold Eagle herum“ zu den Rängen vier und sechs. Looking Superb blieb als Bestem der arg gerupften Bazire-Streitmacht die kleinste Prämie.
Mit 1:10,6 blieb Billie de Montfort bei trockenen, 6 Grad frischen Bedingungen nicht weit über dem Rennrekord Texas Charms, der 2014 blanke 1:10 aufs Tapet gezimmert hatte.
Prix de Bourgogne (Gruppe II int., vier- bis zehnj. Hengste & Stuten)
2100 Meter Autostart, 110.000 Euro
1. Billie de Montfort 10,6 Gabriele Gelormini 178
8j.br. Stute von Jasmin de Flore a.d. Quismy de Montfort von And Arifant
Be / Zü: Philippe Dauphin; Tr: Sébastien Guarato
2. Bahia Quesnot 3. Vivid Wise As 4. Uza Josselyn 5. Bold Eagle 6. Carat Wiliams 7. Looking Superb 8. Détroit Castelets 9. Erminig d’Oliverie 10. Davidson du Pont 11. Traders 12. Bélina Josselyn 13. Valokaja Hindö 14. Calaska de Guez Ringostarr Treb Tessy d’Ete Activated |
10,7 Junior Guelpa 10,8 Björn Goop 11,0 Pierre Vercruysse 11,0 Eric Raffin 11,0 David Thomain 11,1 Alexandre Abrivard 11,1 Matthieu Abrivard 11,1 Franck Nivard 11,2 Franck Ouvrie 11,3 Yoann Lebourgeois 11,8 Jean-Michel Bazire 11,8 Christophe Martens 11,9 Nicolas Bazire dis.r. Damien Bonne dis.r. Jean-Philippe Monclin dis.r. Carl Johan Jepson |
150 48 120 31 710 970 250 390 150 910 230 270 840 70 380 420 |
Sieg: 178; Richter: leicht 1½ - 1 - 1½ - ½ - k.Kopf - ¾ - ½ - Hals; 17 liefen
Zw-Zeiten: 05,3/600m - 08,3/1100m - 10,3/1600m
Wert: 49.500 - 27.500 - 15.400 - 8.800 - 5.500 - 2.200 - 1.100 Euro
Zehn Amérique-Karten sind somit vergeben; am 12. Januar folgt mit dem Prix de Belgique die letzte Chance.
Bislang qualifiziert (in chronologischer Reihenfolge):
Davidson du Pont, Chica de Joudes, Looking Superb (Prix de Bretagne)
Délia du Pommereux, Bold Eagle, Billie de Montfort (Prix du Bourbonnais)
Excellent (Prix Ténor de Baune)
Face Time Bourbon (Critérium Continental)
Bahia Quesnot, Vivid Wise As (Prix de Bourgogne)