Vincennes, Samstag, 28. Dezember 2024. Einmal im Jahr um die Jahreswende am Samstag vor dem Prix de Bourgogne steht der Reiternachwuchs im Mittelpunkt des Interesses.
Apprentis (Lehrlinge) und Lads-Jockeys (noch keine 50 Siege, damit noch nicht im Status eines „Jockeys“), die sonst eher hinter den Kulissen des großen Sports stehen, durften sich mit gestandenen Vierbeinern präsentieren, die keine 615.000 Euro verdient hatten.
Mit dem Prix Yvonnick Bodin, im Volksmund der „Cornulier der Lehrlinge“, wird des im August 2001 bei seinem ersten Montéauf tragische Weise bei einem Sturz zu Tode gekommenen Cousins von Alexandre und Matthieu Abrivard gedacht.
Von 10 (Justin Maillard) bis 49 Siege der Inès Fraigne und Benjamin Chauve-Laffay reichte die Spannbreite bei den Reitern, von 222.400 bis 466.885 Euro (Hannibal Tuilerie) jene der 13 vierbeinigen Streiter, wobei ausgerechnet die beiden Ärmsten - neben Heden Cruz Heuristique - die mit Abstand besten Monté-Formen mitbrachten.
Hannibal war zweifellos der Wallach mit der besten Klasse, dürfte sich an seine beiden wenig einbringenden Monté-Auftritte vor 4½ Jahren jedoch kaum mehr erinnert haben. Nun sollte ihn Mathis Champenois in dieser Disziplin möglichst zu neuem Leben erwecken, landete mit ihm jedoch zunächst im Hintertreffen.
Noch schlechter erwischte es Heuristique. Die bei 43:10 haarscharf Favoritenehren tragende Very-Nice-Marceaux-Tochter lief von Beginn an wie auf rohen Eiern, legte sich überhaupt nicht hin und hatte im Nu 30 Meter Rückstand auf das davon preschende Feld, von dem sie nie etwas aufzuarbeiten vermochte.
Am zügigsten fand Heden Cruz vor Fun Quick in die Gänge, reichte jedoch in Anbetracht der anspruchsvollen 2.700 Meter den Staffelstab bald an Fiaschetto weiter. Als vor der Tribüne Filou d’Anjou wuchtig aufzog, schnappte sich Mademoiselle Mathias-Maisonnette erneut das Kommando, nur um es bergauf an Filou d’Anjou wieder abzutreten. Das „Schlitzohr aus Anjou“ hatte ganz offensichtlich noch vom Vorjahr eine Rechnung offen.
An jenem 30. Dezember hatte er mit Trainertochter Marine Beudard den ersten Gruppe-Sieg ganz dicht vor Augen, als der ihm auf den letzten Metern von der mit Urgewalt heran rauschenden Esperanza Idole um ein Fitzelchen entrissen wurde. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, war die Maxime des Othello-Bourbon-Sprösslings, mit dem Inès Fraigne zwei Längen voraus auf die Zielgerade bog, wo der Wallach immer prominenter wurde.
Obwohl er nach außen wich und dadurch Heden Cruz den glatten Durchmarsch ermöglichte, hielt er diesmal seinen Vorteil nicht nur eisern fest, sondern baute ihn auf fünf Längen aus. In neuer Rennrekordzeit von 1:11,5 trug der Wallach seine Reiterin zum 50. Erfolg aus 611 Auftritten. Er selbst kreuzte zum 19. Mal aus 82 Engagements die Linie als Erster und kommt mit den dafür gutgeschriebenen 40.500 auf 478.590 Euro, die in die Privatschatulle von Trainer Beudard fließen.
Auf den letzten 200 Metern offenbarte Hannibal Tuilerie, der sich bergauf an den Zug auf dem zweiten Gleis hängte, dass es mit ihm durchaus in dieser Sparte weitergehen könnte. Um ein Haar verfehlte der weit außen prächtig raufende Braune den Ehrenplatz.
Verteidigen kann Mademoiselle Fraigne ihren Titel in der nächsten Auflage nicht, da sie mit diesem bedeutendsten Erfolg ihrer Laufbahn zugleich den Status eines „Jockeys“ erklommen hat. „Ich spürte schon ein wenig Druck, aber Marine und Eric (Beudard) haben mich erstklassig instruiert, und es lief gut für uns. Am Start sollte ich nicht gleich in die Vollen gehen, weil er dort zuweilen etwas delikat ist, aber ansonsten hat sich der Wallach an all das gehalten, was mir eingetrichtert worden ist."
"Das rhythmische Tempo kam ihm sehr zupass, und eingangs der Zielgeraden hat er noch eine Schippe draufgelegt - das war der Sieg!“ Die nun beginnende Profi-Laufbahn sieht sie mit einem lachenden wie weinenden Auge: „Es wird nicht einfach, dessen bin ich mir vollauf bewusst. Ich wiege 50 Kilo, musste schon als Apprenti und Lad stets viel Blei mitnehmen, und das wird bei den Profis, wo die Konkurrenz deutlich größer und härter ist, noch mehr."
"Da wird mit mindestens 60 Kilo geritten. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich überwiegend im Sommer in der Provinz reite. Vor 18 Monaten habe ich eine Umschulung begonnen. Parallel zu meinem jetzigen Job bereite ich mich auf ein Diplom in Lohn- und Personalmanagement vor. Angesteckt worden bin ich mit dem ‚Pferde-Virus‘ im Alter von drei Jahren."
"Meine Eltern wollten, dass ich in ihre Bäckerei einsteige. Ich konnte sie mit Mühe und Not überzeugen, mich für die Pferderennsportschule der AFASEC in Graignes anzumelden, und sie sind erleichtert, dass ich nun einen Berufsabschluss abseits des Pferdesports machen werde“ - was durchaus ein bezeichnendes Bild auf das „Standing“ des Jobs als Pferdepfleger und/oder Berufsfahrer selbst im diesbezüglichen Schlaraffenland Frankreich wirft.
Eric Beudard war überaus zufrieden mit der Vorstellung des Duos: „Inès ist exzellent geritten. Besser kann man‘s nicht vortragen. Im Vorjahr hat Marine diesen Sieg und den Durchmarsch zum Profi-Status knapp verpasst. Das haben wir heuer mit Inès nachgeholt. Für Filou war es ein stilvoller Abschluss eines Jahres, in dem er viele gesundheitliche Probleme hatte und seine Kapazitäten selten zeigen konnte."
"Und er hat endlich einen halbklassischen Sieg in seinem Fahrtenbuch. Es wäre schade gewesen, hätte er eines Tages seine Laufbahn ohne eine solche Auszeichnung beendet. Erholt er sich gut, hat er in zehn Tagen eine passende Prüfung vor der Brust. Aber seine Gesundheit ist fragil, und darum ist er nicht leicht zu managen.“
Prix Yvonnick Bodin - Monté - (Gruppe III nat., Sechs- bis Zehnj., keine 615.000 Euro)
2700m Bänderstart o.Z., 90.000 Euro
1. Filou d‘Anjou 11,5 Inès Fraigne 85
9j.br. Wallach von Othello Bourbon a.d. Girl Bégonia von Le Ham
Be / Tr: Eric Beudard; Zü: Eric Crépeau
2. Heden Cruz 11,8 Tamara Mathias-Maisonnette 110
3. Hannibal Tuilerie 11,8 Mathis Champenois 48
4. Impala de Val 12,0 William Dersoir-Habib 97
5. Guide Moi Forgan 12,0 Mathilde Colas 67
6. Fluo Méslois 12,3 Justin Maillard 1340
7. Fougue du Dollar 12,7 Cléa Roger 520
8. Falcon d’Espace 12,7 Agathe Poulain 420
9. Gala d’Urfist 13,1 Oscar Placier 81
10. Fiaschetto 14,5 Emma Lacomblez 1560
11. Fun Quick 15,6 Théo Raffin 910
12. Heuristique 16,1 Estelle Croisic 43
Invictus Madiba dis.r. Benjamin Chauve-Laffay 100
Sieg: 85; Richter: überlegen 5 - k.Kopf - 2½ - k.Kopf - 5 - 6 - 1 Länge; 13 liefen
Zw-Zeiten: 10,8/1200m - 11,1/1700m - 11,5/2200m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-12-28/7500/7
Hattrick perfekt
Genauso hoch dotiert, aber nur mit dem Status eines „Course A“ gelistet und mit 2.850 Metern ein Stückchen länger kam der Prix Bar-Le-Duc als Alternative für fünf- bis zehnjährige „Sulky-Traber“ daher, die keine 625.000 Euro reich waren und in dem es ab Gewinnen von 320.000 Euro 25 Meter Zulage wettzumachen galt.
Die arbeitete der frische Doppelsieger Inexess Bleu dank eines Blitzstarts im Handumdrehen auf und lag hinter Icône Madrik, Hubble du Vivier, Jaguar Dream und Jiosco de Phyt’s an fünfter Position. Mitte der Tribünengeraden beorderte Eric Raffin Jiosco de Phyt’s in Spur zwei und gab für Inexess Bleu eine hochwillkommene Lokomotive.
Die Kooperation der beiden Schützlinge Jean-Michel Baudouins klappte bestens: Im Bogen von Joinville ließ Jean-Michel Bazire den Stablemate vorbei, so das nun Inexess Bleu der Fahrtwind der zweiten Linie ins Gesicht wehte. Alexandre Abrivard gab dem die berühmten blau-weiß-längsgestreiften Farben tragenden Wallach der Galliers die Sporen und ab 1.000 Meter vorm Ziel die Kommandos.
Abgeschirmt wurde er von Trainingsgefährtin I Can Dream. Während Jiosco de Phyt’s als 59:10-Chance 300 Meter vorm Pfosten die Waffen streckte und dadurch Icône Madrik etwas aufhielt, wurde ganz außen Fakir de Mahey mit jedem Schritt stärker. Yoann Lebourgeois‘ Protégée bewies, dass seine im Prix du Bourbonnais ergatterte Fahrkarte für den Prix d’Amérique nicht von ungefähr gekommen war.
Der Neunjährige wurde immens schnell und lief auf einen „Hals“ zu Inexess Bleu auf, der dennoch das dritte Ding in Folge und 14. „lifetime“ sicher im Sack hatte - und das, obwohl Laurent-Claude Abrivard ihm nur einen gelben Smiley mit auf Weg gegeben hatte. Die „turfists“ indes orientierten sich neben der aktuell bombastischen Verfassung am Aufputz „rundum barfuß“ und handelten den Vittel-de-Brévol-Sohn bis auf 2,1-fache Odds herunter.
40.500 Euro Belohnung für die schneidige 1:12,4-Performance stemmten sein Konto auf 637.780 Euro. Zwei Längen zurück ergatterte mit Icône Madrik die einzige Stute im Zehnerfeld um Haaresbreite Platz drei vor dem weit außen Flügel bekommenden Hubble du Vivier und dem in der Mitte stark durchziehenden Jaguar Dream, der sich als besserer der beiden Redén-Trainees entpuppte: Hinter Jiosco de Phyt’s trudelte Brambling nur als Siebenter ein.
„Er ist in der Form seines Lebens, der wahre Inexess, wie wir ihn aus den besten Zeiten 2023 kennen. In diesem Sommer ging es ihm weniger gut, doch nun ist er wieder im Zenit seines Könnens. Drei Rennen am Stück gegen diese Gesellschaft, darunter einen für den ‚Amérique‘ Qualifizierten, zu gewinnen, ist durchaus etwas Besonderes."
"Er ist in eine andere Dimension vorgestoßen. Ich habe beim Aufcantern gespürt, wie gut er drauf ist, und bin darum offensiver gefahren, als ich nach dem ursprünglichen Schlachtplan wollte. Er kann sich vier Wochen erholen, und dann geht’s am 25. Januar in den Prix de Luxembourg“, umriss Alex Abrivard seine Gefühlslage.