Vincennes, Samstag, 11. Januar 2025. Höhepunkt der samstäglichen Karte war der Prix de Croix, eine 120.000-Euro-Prüfung für fünfjährige Stuten und Hengste, deren Ergebnis, was den Sieger betrifft, durchaus einige Aussagekraft haben kann.
Schaut man sich die Ehrentafel des nach dem ersten, von 1864 bis 1871 residierenden Präsidenten der „Société de demi-sang“ (dem Vorläufer der SETF) Eugène Marie de Croix benannten Halbklassiker dieses Jahrtausends an, finden sich klangvolle Namen: Love You 2004, Première Steed 2008, Un Mec d’Héripré 2013, Anna Mix 2015, Bélina Josselyn 2016, Davidson du Pont 2018, Hohneck, Idao de Tillard und Jushua von 2022 bis 2024 lassen Connaisseure mit der Zunge schnalzen.
Ganz zu schweigen von Idéal du Gazeau, Jorky, Ourasi, Ténor de Baune.
Gut möglich, dass sich Koctel du Dain, was zukünftige Meriten betrifft, in diese Phalanx einreihen kann. Der Boccador-de-Simm-Sohn, nach Gewinnen unbestrittener Primus der französischen Generation 2020, jedoch in den letzten Monaten kräftig gerupft, stellte nach dem völlig blutleeren Auftritt im Critérium Continental am 22. Dezember vieles richtig und bescherte mit seinem 14. Treffer, der ihn zum Millionär werden ließ, dem in diesem Meeting arg gezausten Philippe Allaire endlich ein Erfolgserlebnis.
Aus dem 15er-Pulk meldeten sich Global Etalon kurz nach dem „Ab“ sowie Kalif Landia und Katinka du Mouchel nach 600 Metern im Galopp ab. Aus der Mitte schoss der lange favorisierte Khal’s Fella in Front und ließ sich nach 200 Meter vom ganz außen eindrehenden Keenan de Joudes ablösen.
Lange auf der Bremse saß allerdings auch David Thomain nicht. Mutig schmetterte er mit dem erst in den letzten Sekunden am Toto auf den Favoritenschild gehobenen Koctel du Dain in zweiter Spur durch die Tribünengerade und durfte sich, als es das erste Mal am Zielschild vorbeiging, auf dem Platz an der Sonne breit machen.
Im Bogen von Joinville brach Kanto Avis den vorderen Gänsemarsch auf. Coral Coger, Khal’s Fella, Kojote und Elegance Kronos machten den „Move“ mit, so dass die Innenbahn frei vor Immortal Doc lag, mit dem Paul Ploquin bergauf so bequem wie unauffällig bis an die vierte Position vorrücken konnte.
Aus dem Schlussbogen tat sich Erstaunliches: Koctel du Dain, aus der Frontlage stets etwas faul, dachte gar nicht daran, die Hufe hochzulegen. Mit drei Längen Vorsprung nahm er den Einlauf in Angriff und gab davon nur deswegen die Hälfte her, weil ihn sein sichtlich erleichterter Chauffeur auf den letzten 50 Metern mit erhobener Peitsche nur austrudeln ließ.
Zur grenzenlosen Überraschung war es nicht Keenan de Joudes, der dem frischgebackenen Millionario, bei dem nach 32 Starts nun 1.017.550 Euro zu Buche stehen, optisch ein wenig auf den Pelz rücken konnten.
Der aus Schweden angereiste „unsterbliche Doc“ bedankte sich für die perfekt geöffnete Innenspur mit schneidigem Spurt zum sicheren Ehrenplatz vor einem Duo, aus dem Jean-Pierre Barjons Kokote nach Zielfoto-Auswertung als Dritte hauchdünn vor Keenan de Joudes hochgezogen wurde.
Genauso eng wurden eine knappe Länge dahinter die übrigen Prämien an ein Quartett verteilt, aus dem der ganz außen heranfliegende Kristal Josselyn die Nase um ein Fitzelchen vorn hatte, jedoch als Pechvogel nach „Enquête“ disqualifiziert wurde.
Mit 1:12,7 verfehlte der „Wiedererweckte“ den acht Jahre alten Rennrekord des Schweden In Vain Sund nur um 0,2 Sekunden - und das bei zwar bestens befahrbarer Piste, aber frischen 5 Grad,
„Eine wahre Freude, ihn nach all den Schlappen mit solcher Autorität gewinnen zu sehen!“ gestand Thomain, der ihn immer in Händen hatte, „ich denke, er fühlt sich auf längeren Distanzen wohler als auf den Speed-Strecken wie im ‚Continental‘. Ich fand ihn heute perfekt. Bergauf spielte er seine ganze Kraft aus, und als er zu Beginn des Einlaufs gerade stand, legte er ganz bequem eine gewaltige Schippe drauf. Dieser Treffer sollte seinem Umfeld richtig Moral geben“, was Philippe Allaire unterstrich.
Der 65jährige kündigte Koctel du Dain umgehend für den Prix Bold Eagle der Kategorie I an, in dem es am 25. Januar um 300.000 Euro geht.
Auch Trainer Fredrik Wallin war total happy über den Auftritt Immortal Docs: „Er verbessert sich von Start zu Start in Vincennes; ihm scheinen die längeren Strecken mehr zu liegen.“ Ob er den Prix Bold Eagle bei einer weiteren Steigerung gewinnen könne?
„Ein klares ‚Nein‘“, lachte der 44-jährige aus dem mittelschwedischen Gävle, „obwohl meine Erwartungen natürlich steigen. Heute war er rundum mit leichtem Beschlag unterwegs. In 14 Tagen wird er barfuß antreten - das sollte ihm sehr zupass kommen.“
Prix de Croix (Gruppe II int., fünfj. Hengste & Stuten)
2850m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Koctel du Dain 12,7 David Thomain 31
5j.br. Hengst von Boccador de Simm a.d. Ophélie von First de Retz
Be / Tr: Philippe Allaire; Zü: Régis Merlet
2. Immortal Doc 12,9 Paul-Philippe Ploquin 890
3. Kokote 13,0 Mathieu Mottier 120
4. Keenan de Joudes 13,0 Jean-Philippe Monclin 82
5. Kanto Avis 13,0 Benjamin Rochard 75
6. Khal’s Fella 13,0 Franck Nivard 54
7. King Opera 13,0 William Bigeon 1250
8. Kilmister 13,1 Björn Goop 400
9. Elegance Kronos 13,2 Alexandre Abrivard 280
10. Coral Coger o.Z. Nicolas Bazire 250
11. Kelly de Banville o.Z. Corentin Gourgand 130
Kristal Josselyn 5.dai Matthieu Abrivard 330
Kalif Landia dis.r. Eric Raffin 110
Katinka du Mouchel dis.r. Clément Duvaldestin 310
Global Etalon dis.r. Gabriele Gelormini 130
Sieg: 31; Richter: leicht 1½ - 1½ - k.Kopf - (¾) - k.Kopf - k.Kopf - k.Kopf - 1 - 1½ - 3½ Längen; 15 liefen
Zw-Zeiten: 14,5/1350m - 13,3/1850m - 12,9/2350m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2025-01-11/7500/4
Inos Arbeitssieg
Mit dem 22. Sieg aus lediglich 34 Anläufen zur schmalen Quote von 1,6 zugeschlagen und das Konto auf 602.760 Euro ausgebaut: Was sich für den 90.000 Euro wertvollen Prix du Forez für „Trotteurs français“, die keine 595.000 Euro auf der hohen Kante hatten, als „Business as usual“ lesen könnte, wurde am Ende eine doch recht knappe Kiste für Ino du Lupin, und dies, obwohl ihm Antoine Wiels ein Traumrennen im Nacken des Co-Favoriten Face Time servierte.
Matthieu Abrivards Schützling fühlte sich nach zwei „Préparés“ stark genug, den wieselflink vor Gendréen und Hannibal Tuilerie in Front geschossenen Goéland d‘Haufor von Beginn an mal mehr, mal weniger intensiv auf Herz und Nieren zu prüfen. Der Voltigeur-de-Myrt-Sohn parierte lange alle Avancen. Kurz vor der Einmündung der kleinen Bahn befand es Wiels an der Zeit, mal ein bisschen nach dem Rechten zu sehen.
In drei Dreiergruppen donnerte das Feld durch den Schlussbogen, ab dessen Ausgang die Waage sich allmählich zugunsten des Favoriten neigte. Dem immerhin 24-fachen „Winner“ Face Time fehlte erstaunlicherweise jeder Punch; er wurde mit der kleinsten Prämie abgespeist.
Viel intensiver wehrte sich Goéland d’Haufor, konnte jedoch die „feindliche“ Übernahme durch Ino du Lupin nicht verhindern, hinter dem Wiels höllisch aufpassen musste, dass ihm die speedigen Hannibal Tuilerie und Hip Hop Haufor auf den letzten Metern nicht doch noch den ersten Rang abspenstig machten.
„Bergab war‘s sehr zügig, als Face Time so enorm auf die Pace gedrückt hat. Ich hab‘ bewusst etwas abreißen lassen, weil er dort im GNT-Finale aus dem Takt gekommen war. Die Kräfte, die er an jener Stelle gespart hat, konnte ich bergauf abrufen und habe verhältnismäßig früh attackiert, weil er sich gerne einrollt. Im Schlussbogen streute er ein paar wacklige Schritte ein, doch ich konnte das ausbalancieren. Er war bis zum Schluss voll fokussiert - ich hab nicht mal die Ohrenwatte gezogen“, kommentierte Wiels.
Und verkündete im gleichen Atemzug das künftige Programm des Scipion-du-Goutier-Sohnes: „Als Wallach hat er mit seiner Gewinnsumme nur noch ein Engagement im Pariser Winter: am 1. März im Prix du Plateau de Gravelle. Am 29. Januar in Cagnes soll er im Prix de Vincennes antreten, und nach dem Winter locken einige Aufgaben rechtsherum wie beispielsweise im Prix des Ducs de Normandie zu Caen.“
Prix du Forez (Gruppe III nat., Sieben- bis Elfj., keine 595.000 Euro)
2700m Bänderstart o.Z.; 90.000 Euro
1. Ino du Lupin 12,4 Antoine Wiels 16
7j.br. Wallach von Scipion du Goutier a.d. Tina d’Hermès von Fleuron Perrine
Be / Zü / Tr: Jean-Paul Marmion
2. Hannibal Tuilerie 12,4 Paul-Philippe Ploquin 130
3. Hip Hop Haufor 12,4 Damien Bonne 140
4. Gendréen 12,4 Alexandre Abrivard 220
5. Goéland d’Haufor 12,5 David Thomain 200
6. Elite de Jiel 12,6 Franck Ouvrie 830
7. Face Time 12,8 Matthieu Abrivard 33
8. Hede Darling 13,3 Romain Congard 800
Espace Winner dis.r. Léo Abrivard 700
Sieg: 16; Richter: Kampf k.Kopf - Hals - Hals - 1 - 1½ - 2 Längen; 9 liefen
Zw-Zeiten: 13,3/1200m - 12,5/1700m - 12,6/2200m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2025-01-11/7500/7
Die „Azzurri“ kräftig balbiert
Schwer gerupft wurde im Prix Bellino II (Gruppe III; 2700m; vierjährige Hengste und Wallache, keine 120.000 Euro; 80.000 Euro) ein italienisches Quartett, obwohl Zwei von ihnen über weite Teile des 2.700 Meter langen Weges den Takt bestimmten. Während sich For You Roc und Funky Roc früh im Galopp empfahlen, gab Eric Raffin mit dem von Alessandro Gocciadoro vorbereiteten Frankie LJ bis kurz vorm Gipfel den Ton an.
Dort lancierte Jean-Michel Bazire seinen Lissandro nach außen, überfiel den Readly-Express-Sohn regelrecht, der kurz darauf das Handtuch warf - und reichte den Taktstock völlig unerwartet an den mit Björn Goop wuchtig attackierenden First Time Roc weiter. Der „Maître“ wusste ganz genau, welche Kilos er mit dem Ready-Cash-Sohn in Händen hatte - und vor allem, dass sein gefährlichster Rivale innen zur Tatenlosigkeit verdammt war.
Als L’As Desbois sich auf der Zielgeraden endlich auf freie Bahn geschlängelt hatte, war Lissandro (22:10) wie ein Pferd anderer Klasse längst über alle Berge. Vier Längen vor dem bei 26:10 notierten Booster-Winner-Sohn erhielt das Eigengewächs der Ecurie des Charmes für den fünften Erfolg - den ersten auf Gruppe-Ebene - 36.000 Euro, womit er bei 129.065 Euro weiterhin viele Optionen hat.
Hinter Leader de Joudes, Logan Jiel und Lash Perrine raufte sich Frankie LJ am völlig ausgepumpten First Time Roc, der als Achter ohne Prämie blieb, zu Platz sechs und einem kleinen Obolus für die ausgestaubte italienische Equipe vorbei.
„Ein merkwürdiges Match, in dem ich nicht wirklich wusste, wer unsere härtesten Gegner waren, darum hab ich erst mal abgewartet“, gestand „JMB“, „Lissandro ist ein Typ, der mit Kopf und Herz prima bei der Sache ist, ein tolles Geläuf hat und sehr angenehm zu steuern ist. Bergauf dachte, ich könne einen kleinen Testballon starten, und war selbst überrascht, wie leicht ich in Front kam."
"Kein Zweifel, dass er die Karriereleiter zügig nach oben klettern wird. Würde mich nicht wundern, zählte er irgendwann zum Besten, was sein Jahrgang zu bieten hat. Dabei hat er es uns zu Anfang nicht einfach gemacht; Quali und die ersten sechs Rennen waren weniger entzückend. Ich dachte, dieser kleine Hengst würde es nicht leicht haben, aber in den letzten Monaten hat er sich zu einem exzellenten Ready-Cash-Nachkommen entwickelt.“
Tröstlich, dass selbst ein Mann wie der mit allen Wassern gewaschene 53-jährige in seiner Expertise mal danebenliegen kann: Im laufenden Meeting entpuppte sich Lissandro auch beim dritten Start als unbezwingbar…