Vincennes, Samstag, 13. Januar 2024. …und das in atemberaubendem Tempo. Noch ist Jushua Tree nach Gewinnsumme meilenweit vom König der Generation „J“ entfernt, der da seit ewigen Zeiten Just A Gigolo heißt und mehr als 1,1 Millionen Euro für Philippe Allaire gescheffelt hat.
Während dem von Beginn an auf höchstmöglichem Niveau tanzenden Gigolo die Füße allerdings immer schwerer werden, rollt der sehr viel später in die Gruppe-Aufgaben eingestiegene Bazire-Eleve die Rangliste im ICE-Zug-Tempo von hinten auf.
Ohne seine Runner-up im Critérium Continental am Heiligen Abend - Josh Powers Auszeit bis zum erklärten Winterziel Prix Bold Eagle am Vortag des Prix d’Amérique war von Sébastien Ernault geplant, während Alex Abrivards Just Love You kurzfristig gestrichen wurde (siehe unten) - wurde der Prix de Croix, das Highlight des ungemütlichen, 3 Grad frischen Nachmittags die erwartet sichere Beute für den Bold-Eagle-Sohn.
„Im Critérium hat er mir sehr gut gefallen, obwohl die 2.100 Meter für ihn neu waren. Er musste zum Schluss sprinten, was auch nicht unbedingt sein Ding ist. Er ist mehr für weite Wege bei flottem Tempo, und da sollten ihm die 2.850 Meter sehr entgegenkommen. In den drei Wochen seither ist nichts Bemerkenswertes passiert. Es steht alles auf Grün“, blickte Jean-Michel Bazire optimistisch voraus.
Sein Musterschüler ließ sich auf dem Weg zum 15. Sieg aus 19 Versuchen selbst durch zwei von den Schweden Bengan und Joviality verursachte Fehlstarts (Matthieu Abrivard und Benjamin Rochard müssen je 1.080 Euro berappen und sind, was viel schwerer wiegt, am 27. und 28. Januar gesperrt) nicht aus der Façon bringen.
Bazire überstürzte nichts, brachte ihn, derweil erst Diluca Mo und dann Justin Bold „volle Kanne“ nach vorn schmetterten, außen verhalten aus der zweiten Reihe ab und war im äußeren Zug hinter Desiderio d’Esi, Just A Gigolo und J’Aime le Foot die Nummer vier vor Schwedens Derby-Siegerin Joviality. Am Gipfel eröffnete der wiedererstarkte J’Aime le Foot Spur drei - und sprang nach wenigen Metern, so dass Jushua Tree den geraden Weg nach vorn hatte.
Lange bitten ließ sich „JMB“ nicht, kreuzte 500 Meter vorm Pfosten neben Justin Bold auf und ließ den kecken Herausforderer eingangs der Zielgeraden links liegen. Ein bisschen feilen musste der „Maître“ allerdings, denn Joviality stellte den ersten blassen Frankreich-Auftritt im Critérium Continental rundweg in den Schatten und blieb bis ins Ziel eine hartnäckige Verfolgerin.
Umzustoßen vermochte die zwei- und dreijährig mit Rasanz durch die harte nordamerikanische Grand-Circuit-Schule gefegte Chapter-Seven-Tochter den auf 1½ Längen davon ziehenden Überflieger nicht, dessen Konto auf 577.150 Euro kletterte. Mit dem letzten Schritt wurde der mutige Justin Bold durch Desiderio d’Esi von Platz drei gekippt.
Sollten es sich Bazire und das Besitzerkonsortium um Jan Kumpen nicht anders überlegen und doch am Prix d’Amérique teilnehmen, so ist am Tag zuvor der Prix Bold Eagle für Fünfjährige das nächste Ziel für „das beste Pferd, das ich in diesem Alter je in Händen hatte“, wie der 52-jährige erneut betonte.
Mit 1:12,6 verfehlte Jushua Tree, der die Gruppe-Aufgaben mit schnöder Selbstverständlichkeit löst wie vor ihm ein Bold Eagle und ein Face Time Bourbon, den Rennrekord des Schweden In Vain Sund aus dem Jahre 2017 nur um eine Zehntelsekunde und nimmt nun auf einer Ehrentafel Platz, auf der Love You, Un Mec d’Héripré, Bélina Josselyn, Davidson du Pont, Hohneck und Idao de Tillard die prominentesten Namen in diesem Jahrtausend sind.
„800 Meter vorm Ziel hatte ich nach J’Aime le Foots Fehler freie Fahrt, und fortan tat Jushua all das, was ich von ihm wollte. Obwohl Joviality prächtig dran blieb, war sie doch nie eine ernste Bedrohung. Ganz so einfach wie sonst war’s allerdings nicht, und ich musste mich auf den finalen 100 Metern etwas mehr auf Jushua konzentrieren“, resümierte Bazire kurz und bündig.
Überwältigt war Benjamin Rochard: „Joviality war vom Start bis ins Ziel grandiost; sogar den Bänderstart hat sie perfekt hingekriegt. Im Einlauf hab ich für Augenblicke an den Sieg geglaubt, doch dieser Jushua ist wirklich ein Monster.“
Trainerin Sabine Kagebrant konnte das nur bestätigen: „Meine Stute hat sich großartig verkauft. Dass sie ‚stehen‘ kann, wissen wir nicht erst seit dem Derby. Benjamin hat ihr den idealen Run verpasst. Nun geht’s in den Prix Bold Eagle, und ich hoffe, dass es dort noch besser läuft.“ Die Botschaft dürfte bei „JMB“ angekommen sein…
Prix de Croix (Gruppe II int., fünfj. Hengste & Stuten)
2850m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Jushua Tree 12,6 Jean-Michel Bazire 15
5j.br. Hengst von Bold Eagle a.d. Ma Sissi James von Buvetier d‘Aunou
Be: Ec. Olmenhof (Jan Kumpen) & Hugues Rosseau; Zü: Hugues Rosseau; Tr: Jean-Michel Bazire
Pfleger: Damien Hardel
2. Joviality 12,7 Benjamin Rochard 110
3. Desiderio d’Esi 13,0 Franck Ouvrie 230
4. Justin Bold 13,0 Yoann Lebourgeois 130
5. Bengan 13,1 Matthieu Abrivard 440
6. Just A Gigolo 13,2 Franck Nivard 110
7. Jag Stryck 13,2 François Lagadeuc 770
8. Deus Zack 13,2 Jean-Philippe Ploquin 1150
9. Diva del Ronco 13,3 Mario Minopoli jr 1120
10. Jewelcandle Fac 13,4 Damien Bonne 800
11. Jean Balthazar 13,8 Pascal Castel 1330
12. Diluca Mo 13,9 Gabriele Gelormini 37
13. Global Dancer 14,2 Björn Goop 1180
14. Jack Tonic 15,3 Théo Duvaldestin 280
J’Aime le Foot dis.r. David Thomain 170
Jakartas des Prés dis.r. Eric Raffin 570
Sieg: 15; Richter: sicher 1½ - 4½ - k.Kopf - 1 - 2 - Kopf - Hals; 16 liefen (NS Joke de Chenu, Just Love You)
Zw-Zeiten: 14,0/1350m - 13,5/1850m - 13,2/2350m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-01-13/7500/4
Fliegender „Kasper“
Der mit 90.000 Euro dotierte Prix du Forez für Franzosen-Traber, die keine 595.000 Euro auf der hohen Kante hatten, wurde eine am Ende spektakuläre Beute des trotz seiner Siege in den Grand Prix Anjou-Maine (am 4. Oktober in Le Mans) und du Sud-Ouest (am 25. Oktober in Toulouse) am Totalisator etwas unterschätzten Gaspar de Brion.
Von Matthieu Abrivards Aushängeschild war über weite Strecken nichts zu sehen. Nachdem sich Horace du Goutier, lange Zeit Gaspar d’Angis‘ großer Gegenspieler im GNT und von Jean-Michel Bazire nach dem Etappensieg in Angers über dessen Gigolo Lover und Ganay de Banville als potentieller Amérique-Aspirant ausgerufen und anschließend in ein kleines Leistungsloch gefallen, ruckzuck vor Fakir de Mahey und Giboulée de Mars die Spitze gesichert hatte, war der Rappe vor der Tribüne nur an fünfter äußerer Position hinter Fifty Five Bond, Grâce du Digeon, Happy Valley und Goéland Haufor auszumachen.
Bergauf suchte Happy Valley ihrer knappen Favoritenrolle gerecht zu werden, übernahm flink das äußere Kommando und überließ, weil dieser knackige Zwischenspurt offenbar einige Körner gekostet hatte, eingangs der Schlusskurve Grâce du Digeon den Platz auf dem Todessitz.
Keine schlechte Idee zunächst von Jean-Philippe Dubois, die sich jedoch als Falle entpuppte, als in dritter Linie Goéland d’Haufor mit Gaspar de Brion im Schlepptau aufkreuzte und seine Lokomotive zu Beginn der Zielgeraden keinen Dampf mehr hatte.
Happy Valley bekam einen Stopp verpasst, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte, was die Frage nach dem Sieg betraf. Die war auch für Horace du Goutier früh passé. Im dichten Getümmel gewann Goéland d’Haufor allmählich über den sich innen durchmogelnden Fakir de Mahey sowie Harlem de Bucy die Oberhand, doch war das alles nichts gegen den Speedwirbel, den Gaspar de Brion aufs Tapet legte.
Wie ein Düsenjäger schoss der Singalo-Sohn um zwei Längen an der raufenden Meute zum 16. Sieg vorbei und stellte sein Konto auf 593.340 Euro.
„Ich hatte auch den Prix de la Côte d’Azur am Donnerstag in Cagnes im Blick. Es wäre eine lange Anreise gewesen, er hätte 25 Meter Zulage gehabt. Ich hab mich für Vincennes entschieden, obwohl er mir hier zuletzt nicht gefallen hat. Da waren wir allerdings zu früh vorn - ein Fehler, den ich nicht noch mal begehen wollte. Im Heat und beim Aufcantern war er so gut drauf wie bei seinen beiden großen Erfolgen im Herbst."
"Kann man ihn wie heute aus allem heraushalten, gibt er alles - und er hat mich nicht enttäuscht. Als Wallach mit dieser Gewinnsumme hat er keine allzu große Auswahl. Die nächste Prüfung wird der Prix du Luxembourg am 27. Januar sein“, strahlte Matthieu Abrivard.
Prix du Forez (Gruppe III nat., Sieben- bis Elfj., keine 595.000 Euro)
2700m Bänderstart o.Z.; 90.000 Euro
1. Gaspar de Brion 13,6 Matthieu Abrivard 55
8j. Rappwallach von Singalo a.d. Rolls de Brion von Jag de Bellouet
Be: Loïc-Désiré & Matthieu Abrivard; Zü: Loïc-Désiré Abrivard; Tr: Matthieu Abrivard
2. Goéland d’Haufor 13,8 Damien Bonne 110
3. Fakir de Mahey 13,8 Mathieu Mottier 87
4. Harlem de Bucy 13,8 Théo Duvaldestin 110
5. Happy Valley 13,9 Jean-Philippe Dubois 35
6. Fifty Five Bond 13,9 Björn Goop 350
7. Elite de Jiel 13,9 Benjamin Rochard 430
8. Horace du Goutier 14,0 Hugues Monthulé 97
9. Grâce du Digeon 14,0 Eric Raffin 44
10. Giboulée de Mars 14,2 Franck Nivard 430
11. Douxor de Guez 14,4 Robin Lamy 1390
12. Gigolo Lover 14,9 Nicolas Bazire 1020
13. Fougue du Dollar 15,3 Franck Ouvrie 1180
Sieg: 55; Richter: leicht 2 - ¾ - Hals - ½ - k.Kopf - k.Kopf - 1 - Kopf; 13 liefen
Zw-Zeiten: 15,7/1200m - 14,8/1700m - 14,4/2200m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-01-13/7500/8
Nur knapp verfehlte der ins deutsche Gestütbuch eingetragene Brothers in Arms, der 2022 beim einzigen Auftritt hierzulande in der Breeders Crown der Zweijährigen mit Michael Nimczyk Platz drei belegt hatte, beim achten Versuch den ersten Frankreich-Erfolg.
Mit dem für die Ecurie des Charmes, Fabrice Souloy und Hugues Rousseau aktiven Fabulous-Wood-Sohn drehte Franck Nivard im ziemlich undurchschaubaren Prix Bellino II (Gruppe III; 2700m; vierjährige Hengste und Wallache, keine 120.000 Euro; 80.000 Euro) eng ein und landete letztlich im dritten Paar außen.
Die Spitze wechselte rasch von Ernest Jet über Koldplay und Kaporal des Forges zu Keenan de Joudes, der bei konstanter Fahrt im mittleren 1:15er Bereich bergauf den Taktstock übernahm. Zu Beginn der Schlusskurve beorderte Nivard seinen Schützling an die frische Luft, wo der Braune auf den finalen 600 Metern keine Sekunde locker ließ.
Mit Jean-Philippe Monclin erreichte die 86:10-Chance Keenan de Joudes (von Ready Cash) nach 1:14,7/2700m mit Hals-Vorsprung den rettenden Hafen vor Brothers in Arms (45:10), der für den 20.000 Euro wertvollen Ehrenplatz Alessandro Gocciadoros Executiv EK (110:10; beide 1:14,8) um Haaresbreite in Schach hielt.
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-01-13/7500/6
Wintermeeting fini für Alexandre Abrivard
Die Streichung von Just Love You im Prix de Croix hatte einen ernsten Hintergrund: Auf dem Weg nach Vincennes wurde Alex Abrivard als Beifahrer des Pferdetransporters in der Nähe von Chartres in einen Unfall verwickelt, nach dem die Rettungskräfte einige Zeit benötigten, ihn aus dem Fahrzeug zu befreien.
Der 30-jährige Etrier d’Or wurde mit einem Schien- und Wadenbeinbruch zunächst ins Hospital von Chartres eingeliefert und am frühen Abend in ein Pariser Krankenhaus verlegt, wo er im Laufe des Abends operiert werden sollte.
Damit ist das in seine brandheiße Phase tretende Winter-Meeting für ihn gelaufen; sein Vater Laurent-Claude und etliche weitere Trainer wie Benjamin Goetz für Emeraude de Bais müssen neu disponieren. Die transportierten Just Love You und Kynte Flush blieben unverletzt und wurden in den Heimatstall zurückgebracht.