Vincennes, Sonntag, 26. Januar 2025. Nachdem seit dem Vorjahr auch die letzten beiden der hochdotierten „Attelés“ auf den Samstag vorgezogen sind, waren die beiden Gruppe-II-Halbklassiker den Satteltrabern vorbehalten. Den Anfang machten die gestandenen Recken, bei denen neben der noch vor einer Woche im „Cornulier“ engagierten Edition Géma der Levesque-Crack Filwell 25 Meter Zulage aufzuarbeiten hatte.
„Das ist unser ‚Cornulier‘“, hatte Piere Levesque unter der Woche über den 120.000 Euro wertvollen Prix Jacques Andrieu verkündet. Der wie bei den beiden Siegen am 14. November und 11. Dezember von Adrien Lamy gerittene Wallach machte das Handicap ruckzuck wett und stellte zeitig den Kontakt zu den etwas Ärmeren her, von denen nach 900 Metern mit Heuristique die Ärmste der Elf den Taktstock ergriff. Hinter ihr lagen Go or Not, Halfa, Hidalgo des Noés und Fougue du Dollar.
Etwas nach hinten versetzt führte Good Girl Marceaux die äußere Kolonne vor Impala de Val, Hannibal Tuilerie, Gadget du Gade, Filwell und Schlusslicht Edition Géma an. Durch den Joinviller Bogen rauschte Filwell über Spur drei an die Flanke der Leaderin. Kurz vorm Gipfel sprang sich Good Girl Marceaux aus dem Bewerb; dafür hängten sich Halfa und Impala de Val, die ausgangs der letzten Biege aus dem Tritt kam, an den Levesque-Vertreter, der sich langsam, aber sicher Heuristique zur Brust zu nehmen gedachte.
Die zeigte nicht nur dessen Avancen, sondern auch denen aller Andern eine extrem kalte Schulter. Verblüffend leicht setzte sich die Very-Nice-Marceaux-Tochter mit dem in Top-Form befindlichen Paul-Philippe Ploquin, der schon die erste Prüfung des Nachmittags auf seine Kappe gebracht hatte, auf drei Längen zum 13. und wertvollsten Treffer ihrer 68 Starts umfassenden Karriere ab, mit dem sie bei 320.700 Euro angelangt ist.
Für Filwell war selbst der Ehrenplatz, für den er den Kopf eingangs des Einlaufs kurz vorn hatte, außer Reichweite. Innen setzte Go or Not einen krachenden Konter, außen flog Hannibal Tuilerie voller Elan vorbei. Nichts zu sehen war von Edition Géma, die sich im Vorjahr in der Rekordzeit von 1:11,9 den Titel geholt hatte. Die Fuchsstute mit der Schnippe und der halben schmalen Blesse ergatterte lediglich die kleinste Prämie.
„Aus 50 Jahren Zucht mein größter Erfolg“, konnte es Lionel Guillaume kaum fassen, „ein großes Lob Jean-Philippe Raffegeau, der sie als Jährling in Caen ersteigert und einen meisterlichen Job gemacht hat. Speziell zwei- und dreijährig war sie überaus kompliziert. Er hat sich in Geduld geübt und heute die Früchte geerntet. Und Paul Ploquin! Mit ihm ist sie zu einem echten Team zusammengewachsen, was auch nicht einfach war. Heute habe ich die Magie des Pferderennens in allen Facetten erlebt und kann nur jedem raten, in diesen Sport zu investieren. Es ist großartig!“
Ploquin gestand, sie sei eine Stute, die er besonders gern reite: „Sie hat enorme Kapazitäten, physisch wie psychisch. Ich glaube, die anfänglichen Schwierigkeiten haben uns besonders intensiv zusammengeschweißt. Und am ‚Amérique-Tag‘ zu gewinnen, ist doppelt schön.“ In diese Kerbe hieb auch der Trainer: „Der Winter lief bislang eher durchschnittlich, und dann haut sie so ein Ding raus. Mein erster Gruppe-II-Sieg überhaupt, und das mit einem Pferd, das ich zu einem kleinen Preis erworben habe. Was für ein außergewöhnliches Abenteuer!“
Prix Jacques Andrieu - Monté - (Gruppe II int., Fünf- bis Elfj., ohne die ersten Drei des Cornulier 2025)
2850m Bänderstart, 25 Meter Zulage ab 530.000 Euro; 120.000 Euro
1. Heuristique 2850 13,0 Paul-Philippe Ploquin 114
8j. Fuchsstute von Very Nice Marceaux a.d. Madame Melleray von Dream with me
Be / Tr: Jean-Philippe Raffegeau; Zü: S.A.S. LG Services
2. Go or Not 2850 13,2 Mathieu Mottier 130
3. Hannibal Tuilerie 2850 13,2 Alexandre Angot 92
4. Filwell 2875 12,6 Adrien Lamy 29
5. Gadget du Gade 2850 13,3 Florian Desmigneux 750
6. Halfa 2850 13,3 Alan Gendrot 150
7. Edition Géma 2875 12,9 Guillaume Martin 120
8. Hidalgo des Noés 2850 14,7 Anthony Barrier 330
9. Fougue du Dollar 2850 16,3 Damien Bonne 1250
Good Girl Marceaux 2850 dis.r. Alexandre Abrivard 100
Impala de Val 2850 dis.r. Benjamin Rochard 35
Sieg: 114; Richter: leicht 3 - k.Kopf - 1 - 1 - Hals - 4 Längen; 11 liefen
Zw-Zeiten: 14,2/1350m - 13,1/1850m - 12,9/2350m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2025-01-26/7500/3
Im Sturmschritt hingekämpft
Der letzte Programmpunkt vor dem Millionenrennen war der 2.175-Meter-Sprint des Prix Camille Blaisot für die fünfjährigen einheimischen Satteltraber, bei denen Kyt Kat nach mehreren unterirdischen Auftritten endlich wieder an seine großen Tage anknüpfte, die ihm klassische Siege im Prix d’Essai 2023 sowie im Prix des Elites 2024 beschert hatten. Dazwischen hatte der Booster-Winner-Sohn immer wieder für unerklärliche mausgraue Vorstellungen gesorgt, so dass er als Reichster der Acht nur knapp vor Keengame zum Favoriten erkoren wurde.
Den frühen Griff nach dem Taktstock vereitelte Kapaula de l’Epine, die den einzigen Hengst im Korb der sieben Stuten in der Senke, wo Kelvalse Castelets im Galopp ausfiel, aber doch auf die Kommandobrücke ließ. Die ebenfalls fliegend gestartete Keengame kam aus der Todeslage nie weg, was den Ausschlag zugunsten Kyt Kats geben sollte. Rundum überzeugend war der neunte Sieg des Dunkelfuchses allerdings keineswegs, über dem sein Standardreiter Mathieu Mottier reichlich zu tun hatte, ihn auf Zack zu halten.
Letztlich rettete er sich, immer müder werdend, mit einer Länge vor der von ganz hinten sich ins Zeug legenden Kelly de Banville, der mittig mit dem Mut der Verzweiflung raufenden Keengame und Kapaula de l’Epine, die kaum etwas trennte. Pech hatte Katinka Aimef, mit der Eric Raffin im engen Gerangel 30 Meter vorm Ziel auf Keengame prallte und die sichere fünfte Prämie verschenkte.
„Das war heute wieder fast der alte, der großartige Kyt Kat im Gegensatz zum letzten Auftritt, wo er früh kalt war. Wir haben ihm eine geschlossene Kappe aufgesetzt, was ihn viel besser motiviert hat - so sehr, dass ich bergauf gefürchtet habe, er könne seine Kräfte zu früh verpulvern. Wir werden ihn sicherlich nicht oft so ins Rennen schicken können, doch heute war dieser kleine Trick entscheidend“, freute sich Thomas Levesque und gestand, der Dunkelfuchs sei im Training und im Heat nicht ganz einfach zu managen.
Prix Camille Blaisot (Prix RMC) - Monté - (Gruppe II nat., fünfj. Hengste und Stuten)
2175m Bänderstart o. Z., 120.000 Euro
1. Kyt Kat 11,5 Mathieu Mottier 27
5j. Dklfuchshengst von Booster Winner a.d. Diane de Brévol von Rieussec
Be / Zü: Ecurie des Pommiers (Cathy Couzon); Tr: Thomas Levesque
2. Kelly de Banville 11,6 Paul-Philippe Ploquin 57
3. Keengame 11,6 Anthony Barrier 28
4. Kapaula de l’Epine 11,7 Adrien Lamy 130
5. Kyrielle des Vaux 12,4 Guillaume Lenain 380
6. Kircie de Guez 12,5 Alexandre Abrivard 150
Katinka Aimef dis.r. Eric Raffin 87
Kelvalse Kastelets dis.r. Guillaume Martin 640
Sieg: 27; Richter: Kampf 1 - Hals - Hals - 9 - 1 Länge; 8 liefen
Zw-Zeiten: 10,1/675m - 10,5/1175m - 11,3/2675m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 (- 1.200) Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2025-01-26/7500/5
In Rennrekordzeit von 1:10,1 …
… wurde die grenzenlose Enttäuschung, ja geradezu Schmach der enthusiastischen Schweden unmittelbar nach dem ‚Amérique‘ im Prix Jean-René Gougeon (Kategorie III; 2.100m; 90.000 Euro; sechs- bis achtjährige europäische Hengste und Wallache, keine 361.000 Euro) durch Jörgen Westholms Working Class Hero wenigstens etwas gedämpft.
Der Schwarzbraune brachte als Empfehlung nicht nur zwei blitzsaubere Siege, sondern auch den Ehrenplatz im Prix Ténor de Baune als Zweiter zu Just Love You mit, die sich 40 Minuten zuvor zum völlig unerwarteten Runner-up zu Idao de Tillard aufgeschwungen hatte. Startplatz „9“ war ein kleiner Wermutstropfen für den 21:10-Favoriten, von dem sich Mathieu Mottier jedoch nicht ins Bockshorn jagen ließ.
Mit vollen Segeln legte der Village-Mystic-Sohn los und fand hinter Hubble du Vivier (8) im zweiten Paar außen sein Plätzchen, derweil Jango Vici (6) vor Bengan (5) und Jakarta des Prés (1) für die knackige Pace sorgte. Auch durch den Ausfall seiner Lokomotive zu Beginn des Anstiegs ließ sich der „Hero der Arbeiterklasse“ nicht aus dem Konzept bringen, krempelte 500 Meter vorm Ziel kräftig die Ärmel hoch und hatte ausgangs der Schlusskurve Jango Vici schwer am Wickel.
Am besten auf den Fersen zu bleiben vermochten zunächst Invictus Madiba (3) und Iznogoud Am (2), der im Eifer des Endgefechts 150 Meter vorm Ziel mit Platz drei vor Augen aus dem Takt kam und den rabenschwarzen Sonntag für seinen Steuermann Björn Goop rund machte. Working Class Hero war längst im sicheren Hafen, als der durch Startreihe zwei gehandicapte Cobra Killer Gar (11; 40:10; 1:10,2) zu Hochtouren auf- und bis auf eine Länge heran lief.
Für den von Erik Bondo trainierten Italiener war nach sieben Siegen am Stück die zweite Niederlage in Folge alles andere denn ein Beinbruch. Österreichs seit fast zwei Jahren in Frankreich aktiver 2022er Derby-Sieger Charmy Charly AS (10) schnappte sich als 530er Outsider mit Eric Raffin in 1:11,0 den sechsten, über 1.800 Euro ausgestellten Scheck.
Video: https://www.letrot.com/courses/2025-01-26/7500/7
Harmonista als Glücksmarie
Im Prix Helen Johansson, dem Gegenstück für 2017 bis 2019 geborene Stuten, suchte Alessandro Gocciadoro mit Dea Sprint Bar von der „9“ Mottiers Husarenstück zu kopieren. Das schien mit der königlich von Muscle Hill aus der Lana del Rio gezüchteten Sechsjährigen, die 2024 vor allem in Schweden für viel Furore gesorgt hat, sogar besser zu klappen.
Aus dem Bogen von Joinville heraus entriss sie Betting Pacer (8) das Kommando und verlor an der Einmündung der kleinen Bahn mit der bei 44:10 gehandelten Icône Madrik (6) ihre brandgefährliche Begleiterin durch einen Fehler. 200 Meter später stand die Italienerin ruckartig still. Björn Goop kam rechtzeitig um sie herum und schnupperte für Sekunden am Sieg. Erneut war er nicht mit Fortuna im Bunde: Zwar konnte er High Propulsion knapp abwehren, doch flitzten an Betting Pacer innen Harmonista und außen Jeegha Pride vorbei, die Théo Duvaldestin für elffache Odds eine Länge voraus zum neunten Mal in deren Karriere als Erste ins Ziel stukte.
Lange währte die neuerliche Freude im Team Duvaldestin jedoch nicht. Weil sich Jeegha Pride zu Lasten der darob springenden Joconde Sibey Luft und Platz für ihren Endspurt verschafft hatte, wurde sie per „enquête“ disqualifiziert, so dass das Team um Harmonista und Franck Nivard für 281:10 in 1:10,5 etwas verspätet jubeln und Goop mit dem Ehrenplatz sein Fahrtenbuch zuklappen konnte.
Video: https://www.letrot.com/courses/2025-01-26/7500/9
Jean-Mi macht den Deckel drauf
Die zehnten und letzten Glückwünsche des denkwürdigen 104. Amérique-Tages gingen nach dem Prix Moni Maker (2700m; 62.000 Euro) für vierjährige einheimische Hengste und Wallache, die keine 75.000 Euro gewonnen hatten, an Jean-Michel Bazire. Der „Maître“ münzte mit Lord Délo eine perfekt getimte Fuhre vom Ende des Feldes in einen sicheren Sieg gegen den lange in der Todesspur aktiven Lord du Gers mit Filius Nicolas um.